In den Haenden des Eroberers
normannischen Soldaten und auch die beinahe liebevolle Beflissenheit, mit der ihr Gemahl sie zurück zum Wohnturm geleitete. Sie saß neben ihm an der Festtafel, und sie erinnerte sich später vage, dass er ihr Bissen von ihrem gemeinsamen Teller an den Mund geführt und ihr aus ihrem gemeinsamen Becher Met zu trinken gegeben hatte, aber sie ließ all das wie betäubt über sich ergehen. Fayth vermochte hinterher nicht zu sagen, ob sie auf Fragen geantwortet oder überhaupt ein Wort gesprochen hatte. In ihrem Kopf hämmerte einzig der Gedanke auf sie ein, dass ihr Leben nicht länger ihr gehörte – es gehörte nun dem Mann, der möglicherweise ihren Vater ermordet hatte.
Doch erst als sich die Tür zu ihrem Gemach hinter ihr schloss und sie zum ersten Mal in ihrem Leben allein war mit einem Mann, der kein Verwandter von ihr war, ging ihr das ganze Ausmaß der Veränderungen auf, die ihr Leben ergriffen hatten. Fayth wusste nicht, was sie tun oder sagen sollte, doch Sir Giles’ Worte retteten sie aus ihrer Verlegenheit.
„Ich hatte nicht vor, heute das Blut Eures Volkes zu vergießen, wo die Menschen doch nur gekommen waren, um Euch beizustehen. Deshalb habe ich Euch in die Kapelle gelockt, ohne Euch vorher einzuweihen; ich wollte Gegenwehr verhindern.“ Seine Stimme klang sanft, aber in seinen Augen brannte männliches Verlangen.
„Also war Eure Drohung, mich zu töten oder zur Mätresse zu machen, nichts als …“, setzte Fayth an, verwirrt und überrascht.
Schweigend sah sie zu, wie er zum Tisch in der Mitte des Raumes ging und Wein in zwei Becher füllte. Er brachte ihr einen und wartete, bis sie getrunken hatte.
„… eine Herausforderung, die allein dem Zweck diente, Euch von meinem wahren Ansinnen abzulenken“, führte Sir Giles ihren Satz zu Ende. Er lächelte, und diesmal schien es aufrichtig. „Und offenbar hatte ich Erfolg.“
Fayth betrachtete den Ring an ihrem Finger, der sie als seine Frau auswies, und nickte. Jäh wurde ihr bewusst, dass sie nun gänzlich von seinem Wohlwollen abhängig war – und dessen sie sich nicht sicher sein konnte. Sie spürte einen heißen Stich in der Magengrube. In einem Zug leerte sie den Becher, den Sir Giles ihr gereicht hatte.
„Es gibt weniger grausame Wege, sich meine Aufmerksamkeit zu sichern, Sir“, warf Fayth ein und erkannte dann ihren Fehler. „Mylord“, verbesserte sie sich.
Es war eine Tatsache, die Fayth nach und nach bewusst wurde, auch wenn sie sich innerlich noch wehrte. Der Ehevertrag machte ihn zu Lord Giles Fitzhenry, Baron of Taerford. Kummer trübte ihre Gedanken und schnürte ihr den Atem ab. Immer wieder wurde sie an den Tod ihres Vaters gemahnt. Sie schaffte es nicht, Sir Giles in die Augen zu sehen; die Freude, die sich dort angesichts seines neuen ehrenvollen Titels spiegeln musste, hätte sie nicht ertragen.
Doch Fayth war ihres Vaters Tochter und würde tun, was immer nötig war, um ihr Volk in den turbulenten, grausamen Zeiten zu schützen, die ihnen allen bevorstanden. Sie hob den Kopf und begegnete Sir Giles’ Blick, ohne zu wissen, was von diesem neuen Lord zu erwarten war.
„Ich werde versuchen, dies künftig zu beherzigen“, entgegnete er.
Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Becher und stellte diesen zurück auf den Tisch. War es nun also Zeit, die Ehe zu … vollziehen? Fayth sah auf ihren leeren Becher und wünschte sich, sie hätte etwas Wein übrig gelassen, um sich für das Kommende zu stärken.
Gleich würde Sir Giles – Lord Giles, ermahnte Fayth sich – zu ihr kommen. Fayth versuchte, die innere Anspannung niederzuringen, die sie bei dem Gedanken an die erzwungene und unausweichliche Intimität erfasste. Langsam schritt Lord Giles auf sie zu und nahm ihr den Becher aus den bebenden Händen. Fayth sah zu ihm auf. Er war ihr so nahe, dass sie seine Wärme spüren konnte. Sie wartete darauf, dass er den ersten Schritt tat.
Als seine Lippen die ihren berührten, war sie überrascht von der Zärtlichkeit, mit der dies geschah. Behutsam streifte er ihre Lippen, einmal, zweimal, bevor sein Mund fordernder wurde und verweilte. Auch wenn Lord Giles nur ihren Mund berührte, wappnete sich Fayth unwillkürlich für das, was folgen würde.
Doch dann trat Lord Giles zurück, wandte sich um und schritt zur Tür. Als seine Hand schon auf dem Riegel lag, drehte er sich noch einmal zu ihr um.
„Ich wünsche Euch eine geruhsame Nacht, Mylady“, sagte er und nickte ihr zu.
Fayth schwieg, weil sie nicht wusste,
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