Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den Haenden des Eroberers

In den Haenden des Eroberers

Titel: In den Haenden des Eroberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terri Brisbin
Vom Netzwerk:
verhindern, dass Giles jedes Mal von nagenden Zweifeln befallen wurde, wenn jemand ihn „Mylord“ rief. Es würde einige Zeit dauern, bis ihm diese Anrede in Fleisch und Blut übergegangen war und er die aufgebrachte Dame in seinem Gemach als seine Frau betrachten konnte … und noch länger mochte es dauern, bis er sich selbst der Ehre für würdig befand, die sein Herzog ihm gewährt hatte.
    Nachdem die Wachen ihre Befehle entgegengenommen hatten, schritt Giles mit seinen Gefährten die Treppe zur großen Halle hinab, wo das Festmahl noch in vollem Gange war – sofern man es als Festmahl bezeichnen konnte. Die Speisen, die die Tafel trug, waren nicht mehr als Bettlerkost, verglich man sie mit den Banketten, denen Giles in der Bretagne beigewohnt hatte. Simons Hochzeitsfestmahl hatte einen ganzen Tag gedauert und das von Giles’ Halbbruder hatte sich gar über drei Tage erstreckt – ein Gang nach dem anderen war aufgetischt worden, und der bloße Gedanke an Geflügel, Fleisch, Fisch und andere Köstlichkeiten ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    Weder sein Bruder noch Simon oder die Väter der beiden Bräute hatten sich um das Getreide sorgen müssen, das auf den Feldern und in den Scheunen verbrannt war. Sie hatten keinen Gedanken daran verschwenden müssen, wie viele der Menschen in ihrer Obhut wohl den Krieg und den kommenden Winter überleben würden. Giles seufzte schwer, schob diese trüben Gedanken fürs Erste von sich und stieg die wenigen Stufen zu dem Podest hinauf, auf dem die Festtafel stand, an deren Mitte er Platz nahm. Brice, Roger und mehrere andere seiner Männer folgten ihm wie selbstverständlich.
    Giles riss sich ein Stück Fleisch von einem Braten ab, der von einem undefinierbaren Tier stammte, und steckte es sich in den Mund. Er musste kräftig kauen, um das Fleisch so weich zu bekommen, dass er es schlucken konnte, ohne daran zu ersticken. Selbst ein Schluck Bier erleichterte dem Brocken den Weg in seinen Magen nur unerheblich.
    Dann erst bemerkte Giles es.
    In der Halle war es totenstill geworden. Das anwesende Gesinde war als Erstes verstummt und hatte seine Männer angesteckt. Alle starrten ihn an. Nur mühsam widerstand Giles dem Drang, an sich herunterzuschauen, um zu sehen, ob er vielleicht unbekleidet zur Tafel gekommen war, so sehr verwirrten ihn die prüfenden Blicke.
    Schließlich neigte er sich zu Brice hinüber, der neben ihm saß. „Was ist hier los?“, raunte er diesem zu.
    „Was glaubst du wohl, was los ist? Dies ist doch nicht deine erste Hochzeit, an der du teilnimmst, mein Freund“, raunte Brice auf Bretonisch zurück.
    Giles musterte die ihm zugewandten Gesichter. Überraschung, Besorgnis und sogar Verärgerung spiegelten sich darin. Die Menschen hatten sich satt gegessen, hatten dem Bier reichlich zugesprochen, waren das ganze Mahl über guter Dinge gewesen und hätten sich nun, da die Dunkelheit hereinbrach, zufrieden zur Ruhe begeben sollen. Stattdessen aber war ihr Missfallen zu spüren – und zu hören, denn das Schweigen wich zunehmend verhaltenem Gemurmel in dieser Sprache, die Giles noch immer plump vorkam. Noch bevor Brice zu einer Erklärung ansetzte, erkannte Giles seine Verfehlung.
    „Die Leute fragen sich, warum der Bräutigam sich so schnell wieder an der Festtafel blicken lässt“, sagte Brice und lehnte sich zu Giles hinüber, damit niemand sonst seine Worte hörte. „Sie wissen nichts von deiner Sorge, was die … möglichen Umstände deiner Dame angeht, Giles. Sie wissen nur, dass du Lady Fayth geheiratet hast und dem Brautbett entflohen bist, kaum dass du hineingefunden hast.“
    Merde – verdammt.
    Giles stürzte den Becher Bier hinunter, den er umklammert hielt, und winkte nach mehr. Er hatte nicht bedacht, wie andere sein Verhalten werten würden – ja, dass überhaupt irgendjemand, Leibeigener oder Freier, Anteil daran nehmen könnte. Als Bastard, der seinem Herrn diente, hatte nie gezählt, was er tat, sofern er nicht den Wünschen oder Befehlen seines Herrn in die Quere gekommen war. Nun aber hatte Giles das Sagen. Jetzt mussten andere sich nach ihm richten, und sein Handeln stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
    Er trank aus seinem nachgefüllten Becher und schüttelte den Kopf. Bewusst hatte er die Vermählung vor dem gesamten Volk abhalten lassen, um den Burgbewohnern die Besorgnis über das Befinden von Lady Fayth zu nehmen. In den Tagen nach der Einnahme der Burg waren Gerüchte aufgekommen, und da die Herrin sich

Weitere Kostenlose Bücher