In den Haenden des Eroberers
was sie antworten sollte. Ihre Lippen fühlten sich heiß an, und sie berührte sie mit den Fingerspitzen. Eine nie gekannte Angst erfüllte sie. Der Kuss war weit zärtlicher gewesen, als sie erwartet hatte, aber sich einem Mann hinzugeben – einem Krieger, den sie Gemahl und Herrn zu nennen hatte –, erschien ihr nun, da es doch sicherlich geschehen musste, noch erschreckender als zuvor. Aber wieso wandte er sich jetzt ab?
„Sir“, begann sie und wusste nicht, wie sie sein Verhalten deuten sollte. „Mylord, werdet Ihr nicht …?“
„Nein.“ Lord Giles schüttelte den Kopf. „Bevor ich nicht sicher sein kann, dass Ihr nicht das Kind Eures Liebhabers unter dem Herzen tragt, werden wir nicht …“ Er ahmte ihr Zögern nach, indem er den Satz mit einem vielsagenden Blick und einem Nicken in Richtung Bett im Raums stehen ließ.
Fayth war verstört. Sie würden, er würde nicht …? Die Angst, die sie noch einen Moment zuvor im Griff gehalten hatte, wich, und an ihre Stelle trat Wut.
„Ich trage kein Kind unter dem Herzen!“
„Räumt Ihr damit ein, dass er tatsächlich Euer Liebhaber war?“
Fayth durchmaß das Gemach mit wenigen Schritten und begegnete seinem respektlosen Blick. „Ich bin eine ehrbare Frau, Sir. Wie könnt Ihr es wagen?“ Sie hob die Hand, um seine Beleidigung gebührend zu beantworten.
Sir Giles fing die Hand fast spielerisch ab, und Fayth erwartete, dass er zurückschlagen würde. Stattdessen aber sah er sie nur ruhig an und schüttelte den Kopf.
„Ihr wollt mir erzählen, dass Ihr Euch mit Leib und Seele einem der Männer Eures Vaters verschrieben, ihm zu einer solch herausragenden Position verholfen und nichts im Gegenzug dafür erhalten habt?“ Lord Giles verschränkte die Arme vor der Brust. „Nur um einer Frau beizuliegen, riskiert kein Mann sein Leben. Welche Versprechungen hat Edmund Euch im Austausch für das Ehegelübde gemacht?“
„Ihr beleidigt mich schon wieder, Mylord. Was für Versprechungen? Zwischen uns wären keine anderen Gelöbnisse gefallen als die, die auch wir heute ausgetauscht haben.“ Es kostete Fayth Mühe, nicht mit Edmunds Plänen herauszuplatzen. „Edmund hat versprochen, mich und meine Ländereien zu beschützen, wenn ich ihn zum Gemahl nehme, nichts weiter. Aber Ihr habt es verhindert.“
Lord Giles durfte nicht erfahren, wer Edmund wirklich war – nicht solange dessen Leben noch auf dem Spiel stand. Die Ereignisse des heutigen Tages und die Anschuldigungen, denen sie sich ausgesetzt sah, hatten Fayth bis ins Mark getroffen. Und dann war da noch das Schuldgefühl, das an ihr nagte. Sie ließ die Hand sinken und schüttelte stumm den Kopf.
„Bis ich herausgefunden habe, dass Ihr aufrichtig handelt und sprecht, werde ich die Ehe nicht vollziehen, Mylady. Sobald ich es aber weiß …“ Er beendete den Satz nicht, doch die unausgesprochene Drohung ließ Fayth erschauern.
Angespannte Stille legte sich wie ein Keil zwischen sie. Lord Giles trat zurück und stand nun in der geöffneten Tür. Fayth beschloss, dass sie für heute genug hatte – mochte er noch so sehr Eroberer, Gemahl und Herr sein. Sie griff nach der Tür und schlug sie kurzerhand zu, sodass der überrumpelte Lord hinaus auf den Gang stolperte.
„Dann gute Nacht, Herr Gemahl!“, sagte sie, während sie den Riegel vorlegte, der achtlos in einer Ecke lehnte.
Fayth machte sich nichts vor. Wenn Lord Giles wollte, wäre es ein Leichtes für ihn, die Tür zu öffnen, denn das erforderte lediglich den festen Tritt eines starken Mannes. Und abgesehen davon, dass er selbst kräftig genug war, standen mehr als genug von seiner Sorte unter seinem Befehl. Dass plötzlich von jenseits der Tür schallendes Gelächter zu ihr durchdrang, befremdete sie. Mit einer solchen Reaktion auf ihr aufsässiges Verhalten hatte sie nun wahrlich nicht gerechnet.
Fayth wartete einen Moment. Als jedoch niemand einzudringen versuchte, löschte sie die Kerzen in der Kammer und legte sich ins Bett. Sie zupfte sich den Schleier vom Kopf und löste ihr Haar. Dann lag sie da und wartete ab, ob Lord Giles sich vielleicht doch noch Zugang zur Kammer erzwingen würde.
Schon bald aber konnte Fayth nicht länger gegen die Müdigkeit ankämpfen, die sich ihrer bleiern bemächtigte. Also fegte sie alle Angst beiseite und ergab sich der Dunkelheit. Um ihr Schicksal konnte sie sich auch am nächsten Tag noch sorgen.
3. KAPITEL
A lles, was Fayth sagte und tat, überraschte Giles. Die meisten Frauen, die er kannte,
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