In den Häusern der Barbaren
die Ermittlungen eingestellt.«
»Weil diese Mexikanerin wieder verhaftet worden ist, richtig?«
»Was, Araceli ist verhaftet worden?«, rief Brandon. »Muss sie jetzt ins Gefängnis?«
»Nein, nein, sie muss nur ein paar Fragen beantworten«, sagte Maureen. Später würde ihr auffallen, dass sie ihre Kinder in diesem Moment seit Langem erstmals wieder angelogen hatte.
»Der Rasen muss gemäht werden«, sagte der alte Torres unvermittelt.
»Scott erledigt das.«
»Nein, ich werde mich drum kümmern.« Der alte Mann tätschelte die Köpfe der Kinder und verließ das Zimmer mit den energischen Schritten eines Mannes, der eine neue Aufgabe gefunden hat. Zehn Minuten später hörte Maureen ein knirschendes Dröhnen aus dem Vorgarten. Durchs Fenster sah sie einen siebzigjährigen Mann im Poloshirt, der mit ledernen Arbeitsschuhen durch das feuchte, viel zu hohe Gras stampfte. Der Alte schob den Rasenmäher überraschend mühelos über den abfallenden Rasen, auch wenn er keine dreißig Sekunden später nass geschwitzt war und Maureen fürchtete, er könne einen Schlaganfall erleiden. Er geht die körperliche Herausforderung mit derselben Lust an wie Scott seine Computerprobleme . Nach einer Stunde des Mähens, Schneidens und Fegens mit unterschiedlichen, von Strom und von Muskelkraft betriebenen Gartengeräten war er fertig. Als Samantha vom Mittagsschlaf aufwachte, nahm Maureen sie mit in den Garten hinaus und begutachtete das Werk des alten Torres. Er hatte den Rasen so akkurat geschnitten, dass die lebenden Halme auf einmal künstlich aussahen, wie angemalt. Die Gleichmäßigkeit war unnatürlich, aber hübsch anzusehen.
»Dein Grandpa weiß wirklich, wie man Rasen mäht«, sagte Maureen.
21 Nachdem man ihr mitgeteilt hatte, sie werde dem Richter vorgeführt, schien alles sehr schnell zu gehen; sie hasteten über die Gefängnisflure, doch dann stellte sich heraus, dass es vor dem Gerichtssaal noch ein Wartezimmer gab. Die Wärterinnen führten Araceli in einen quadratischen Raum und wiesen sie an, mit zwei weiteren Frauen auf einer festgeschraubten Bank zu warten – einer Latina, deren Augenbrauen aussahen, als wären sie mit einem Halbmillimeter-Zeichenstift gezogen worden, und einer Afroamerikanerin, auf deren Kopf sich Reihen von Haar und Haut abwechselten, als hätte ein winziger Farmer sie gepflügt. Die alten Betonwände der Würfelzelle waren frisch gestrichen, und in ihrer knochenweißen Glätte spürte Araceli die Existenzängste von Hunderten Menschen, denen es noch viel schlimmer ergangen war als ihr selbst. Araceli wusste, ihr Schicksal würde sie nach Mexiko führen, am Ende ihres momentanen Aufenthalts im Fegefeuer würde sie ins ungeordnete, aber vertraute Sonnenpanorama einer mexikanischen Stadt treten, und danach würde sie eine Bushaltestelle oder Telefonzelle suchen und entscheiden, wie es weiterging. Das könnte in einem oder zwei Jahren geschehen, vielleicht auch in ein paar Tagen, aber so würde es letztendlich kommen, und diese Sicherheit war entspannend. Die Latina rechts von ihr konnte sich anscheinend nicht mit derartigen Gedanken beruhigen, denn sie faltete und entfaltete ständig einen Zettel. Schließlich blickte sie zu Araceli auf und zeigte ihr zur Begrüßung eine Reihe schiefer Zähne. Sie war hager und gelblich blass im Gesicht, zappelig mit der nervösen Energie einer Zwanzigjährigen, obwohl sie mindestens zehn Jahre älter aussah. Sie wirkte außerdem geprügelt und verwirrt, aber das schien sie nicht besonders zu kümmern.
»Ich werd abhauen«, flüsterte sie Araceli ins Ohr. Als sie Aracelis Unverständnis bemerkte, wechselte sie ins Spanische, das sie mit starkem englischen Akzent sprach: »Voy a correr. Para ser libre.«
»¿Qué?«
»Im Gerichtssaal ist bloß ein kleiner Zaun. Chiquito. « Die Frau schaute kurz zu der anderen Angeklagten auf der Bank, die anscheinend eingenickt war, und sprach dann lauter. »Da ist so eine kleine Sperre, geht nur bis zur Hüfte. Da werd ich drüberspringen. Und dann nach hinten raus und in den Flur und die Treppe runter, wenn ich Glück habe. Wenn ich Glück habe, schaff ich’s bis zur Eingangstreppe und durch die Tür. Jetzt geht es noch, weil ich meine eigenen Klamotten anhabe. Nachher stecke ich wieder im Knastblau, dann geht’s nicht mehr. Es muss jetzt sein, sonst werde ich für immer weggesperrt.«
Aracelis Blick sagte: Bitte lass mich mit deinen Spinnereien in Ruhe.
»Ist nicht gelogen. Das hier ist mein tercer Strike.
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