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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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im Geschäftsanzug, der am Revers eine Anstecknadel mit der mexikanischen Flagge trug. Er winkte ihr mit vertraulichem Fingerwedeln zu, und Araceli überlegte, ob er sie wohl zurück nach Mexiko bringen sollte.
    »Wird man mich abschieben?«, fragte sie den Pflichtverteidiger flüsternd. Sie hatte sich zwar mit ihrer Rückkehr abgefunden, aber es gefiel ihr nicht, dass andere Menschen entschieden, was sie tun sollte. Eine Frau sollte selbst den Weg wählen dürfen, den sie nehmen wollte, und es ärgerte sie, dass die in diesem Raum versammelten Männer – außer ihr waren keine Frauen anwesend – für sie entscheiden würden. Sie schaute zum Richter auf, einer Art Anti-Engel in schwarzer Robe und mit weißen Haaren, der die Schlüssel zum Tor der Freiheit in der Hand hielt.
    »Ich habe Sie was gefragt«, sagte sie in normaler Stimmlage zum Pflichtverteidiger, sodass der Staatsanwalt, der an einem Tisch neben ihnen stand, herüberschaute. »Wird man mich abschieben?«
    »Nein, im Augenblick nicht«, flüsterte der Pflichtverteidiger ihr aus dem Mundwinkel zu, und ehe Araceli ihn um weitere Erläuterungen bitten konnte, fingen der Richter und andere Menschen im Saal in einer Sprache an zu reden, die sie nur mit Mühe als Englisch identifizieren konnte, ein Strom aus Zahlen und Ausdrücken, die sie nicht verstand und die lateinische Wurzeln zu haben schienen, abgesehen von den allerletzten Worten, die der Richter sprach, ehe sie zurück in den Würfel und dann in ihre Zelle geführt wurde.
    »Zehntausend Dollar.«
    Staatsanwalt Ian Goller verfolgte die routinemäßige Anklageerhebung gegen Araceli N. Ramirez aus seinem Büro im dreizehnten Stock, gleich neben dem Büro des Oberstaatsanwalts, das in diesen Tagen selten genutzt wurde. Gollers Chef war unterwegs, um die politische Stimmung im Land zu testen; auf lange Sicht wollte er sich um die republikanische Kandidatur für einen Senatssitz bewerben. Ian Goller selbst machte sich an diesem Morgen große Sorgen, allerdings nicht aus den Gründen, die ihn eigentlich hätten beschäftigen sollen. Die Terminpläne und Ergebnistabellen, die den Verlauf der Fälle durch die Gerichtssäle in den unteren Stockwerken und in fünf untergeordneten Gerichten im County anzeigten, waren auf seinem antiquierten, verschmutzten Computerbildschirm aufgefächert. Sie verwiesen auf eine steigende Flut von Drogenprozessen, die letzten Endes dazu führen würde, dass die Staatsanwaltschaft ihren rechtlichen Auftrag nicht mehr würde erfüllen können. Doch der stete Tropfen in Richtung des juristischen Chaos interessierte ihn heute Vormittag nicht so sehr wie der schlichte Inhalt einer durchsichtigen Plastiktüte und ein einzelnes Blatt Papier in einem Schnellhefter. Durch die Plastikfolie sah man die Zug- und Busfahrkarten, die in Aracelis Rucksack sichergestellt worden waren, der Hefter enthielt die Kopie des Anmeldungsformulars eines Hotels, die ein Detective gerade von einem Trip in die Wüste mitgebracht hatte. Die abgestempelten Fahrkarten bestätigten die zeitliche Version der Beschuldigten, während das Dokument aus dem Wellnesshotel zusammen mit der Zeugenaussage eines Angestellten in beunruhigendem Widerspruch zur Aussage seiner Hauptzeugin stand. Man musste kein Hellseher sein, um vorherzusagen, wie die Geschworenen auf diese Informationen reagieren würden.
    Ein Tag, und schon fliegt mir die Anklage um die Ohren. Er hatte eine ganze Weile keinen Fall mehr selbst bearbeitet, und entsprechend lange war es her, dass er die grundlegende Unordnung der Strafverfolgung in all ihren prosaischen Einzelheiten vor der Nase gehabt hatte, die zurechtgelegten Argumente und »Fakten«, die vom schwachen Gedächtnis und der moralischen Fehlbarkeit der Beteiligten verunreinigt wurden. Deswegen will ich auch nie wieder einen Prozess führen. Weil die Menschen Idioten sind und selbst dann, nein, gerade dann lügen, wenn man Vertrauen in sie setzt.
    Wäre sein Vorgesetzter hier gewesen, wäre Ian Goller in sein Büro gegangen, durch die Tür mit dem Siegel des Oberstaatsanwalts und der Waage der Justitia. Der Weise von Santa Ana mit seinen unbestreitbaren prozessualen und politischen Fähigkeiten hätte ihm gesagt, wie er dieses Problem entspannt und effizient angehen könnte. Doch im Büro seines Chefs befanden sich nur die Bilder seiner Kinder, seine Diplome sowie verschiedene fotografische Trophäen seiner Begegnungen mit Bundespolitikern und konservativen Berühmtheiten, darunter auch ein

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