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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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Argumentationshilfe geleistet und eine Liste von Verbrechen und Gesetzesübertretungen mitgeliefert, die man den Illegalen anlastete: den »epidemisch zunehmenden« Ausweisdiebstahl; den Mord an einem Sechzehnjährigen, der im vergangenen August am Strand einer Bande aus Los Angeles zum Opfer gefallen war; der sprunghafte Anstieg von Trunkenheit am Steuer in Anaheim; die Vergewaltigung und Ermordung einer Zwölfjährigen in Fullerton. Die Verfasser hatten sich nach Gutdünken an diesem Straftatenbüfett bedient, um dem von Ein Kalifornien verteilten Serienbrief eine persönliche Note zu verleihen. Sie schrieben mit der wackligen Handschrift von Siebzigjährigen, quetschten fünfhundert Worte in Großbuchstaben auf eine einzige Seite oder hackten auf alte IBM s und Olivettis ein. Man hatte die Verfasser aufgefordert, ihre persönlichen Beobachtungen miteinfließen zu lassen. Wann immer eine Ampel auf Rot sprang, nahm Janet sich die Zeit zu lesen.
    Araceli N. Ramirez sollte verhaftet und abgeschoben werden egal wie die Ermittlungen ausgehen die das County gegen sie unternimmt. Illegale mexikanische Arbeit drückt die Löhne während Leistungen gefordert werden. Beispiele: Geld für arme Schüler, Nahrungsergänzungsprogramm für Frauen, Säuglinge und Kinder, das Gesundheitswesen, zweisprachige Schulen. Ganz zu schweigen davon dass sie sich vermehren wie die Kaninchen, egal ob sie ihre Kinder ernähren können weil sie wissen dass der Staat sie unterstützen wird.
    Die Latino-Bewegung hinter dieser Frau ist AGGRESSIV . Der Druck und die schiere Masse der Leute, die ungehindert ins Land kommen, der unverblümte Gebrauch der spanischen Sprache ist eindeutig ein Anzeichen für eine Revolution. Ich bin schockiert über die Latino-Bewegung, die jetzt diese Frau unterstützt, obwohl sie ein Verbrechen an zwei unschuldigen amerikanischen Kindern begangen hat.
    An alle, die immer betonen, wie viel diese illegalen Einwanderer wie Araceli N. Ramirez zur Gesellschaft beitragen, weil sie ihre Putzfrau und ihren Gärtner mögen und weil sie gern weniger für ihre Tomaten bezahlen: Nehmt euch Zeit, mal das richtige Kalifornien anzuschauen. Denkt an die vollen Gefängnisse, die hohen Versicherungsraten, den sinkenden Bildungsstand, die neuen Krankheiten in unseren Städten. Ich bezahle gern mehr für meine Tomaten.
    Janet Brysons Fahrt führte sie zu einer Wohnanlage in Garden Grove, die in der Farbe von überreifem Avocadofruchtfleisch gestrichen war. Eine magere Frau von etwa vierzig Jahren mit knochigen, sonnenverbrannten Schultern steckte ihr den Brief durch die vergitterte Eingangstür zu und sagte dann: »Gehen Sie noch nicht, meine Liebe, möchten Sie einen Eistee?« Janet begleitete die Frau in ihr Apartment hinauf, setzte sich ins Wohnzimmer, nippte an ihrem Getränk und hörte, wie das Leben der Frau »auseinandergebrochen« war. Ihr Mann war vor drei Jahren einem Leberleiden erlegen, »und meine Mutter ist heute vor einem Jahr in Kenosha gestorben«. Die Frau beschwerte sich über ihren Grünen Star und den Krach und den Qualm am vierten Juli, über die Unfähigkeit der Bürokraten und über die Nachbarn, die ihr die Zeitung stahlen. In warmen Sommernächten höre sie im Flur die Stimme ihres verstorbenen Mannes. Schließlich sagte Janet: »Es tut mir so unendlich leid, aber ich muss jetzt wirklich weiter.« Es schmerzte Janet Bryson, der Frau nicht länger zuhören zu können. Um Viertel vor vier Uhr sammelte sie den letzten Brief an der Citrus Avenue in Yorba Linda ein, nur vier Blocks von der Richard-Nixon-Bibliothek entfernt, und machte sich dann auf den Weg nach Santa Ana. Sie nahm den State Highway 57 und fuhr nach Süden. Um fünf vor fünf hatte sie es geschafft und die kopierten Briefe allesamt in den fünf Verwaltungsratsbüros persönlich abgegeben.
    Um halb sechs war sie wieder auf dem Interstate 5 unterwegs. Auf der Fahrbahn in Richtung South Whittier herrschte dichter Verkehr, aber Janet fühlte sich leicht und beschwingt; der Stau, die roten Bremslichter der Autos, das Schneckentempo machten ihr gar nichts aus. Sie legte eine Hand auf den Beifahrersitz, wo die Briefe gelegen hatten, und seufzte zufrieden. Sie stellte sich vor, wie sie Mission erfüllt in die Betreffzeile der Mail an Ein Kalifornien tippen würde, sobald sie zu Hause wäre. Und dann dachte sie, dass sie der Frau mit dem Hund und der Frau, die Geister hörte, schon allein dadurch geholfen hatte, dass sie bei ihnen saß und mit ihnen sprach.

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