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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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Staatsanwalt einen Moment, dann verzog sich sein Gesicht missbilligend, als wären in einem dunklen Kino die Türen aufgegangen, hätten einen schlechten Film unterbrochen und Licht auf die klebrigen, mit Müll übersäten Gänge geworfen.
    »Das war alles?«
    »Ja, Euer Ehren.«
    »Ms Bacalan. Wie ich auf der Liste sehe, haben Sie einen Zeugen. Der befindet sich nicht zufällig im Gebäude?«
    »Nein, Euer Ehren. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass der Staatsanwalt seine Zeugenliste kürzen würde.«
    »Gut. Morgen um neun Uhr dann?«
    »Ja, Euer Ehren«, sagten Ruthy und der Ankläger im Chor.
    In der letzten Reihe des Zuschauerraums starrte der stellvertretende Oberstaatsanwalt Ian Goller Madame Seltsam hasserfüllt an. Diese Mexikanerin würde sein Leben so viel leichter machen, wenn sie die vernünftige Lösung wählte und den Geständnisdeal akzeptierte. Im Wunsch, die Niederlage zu vermeiden, hatte er einen ganzen Trupp von Staatsanwälten und Ermittlern darauf angesetzt, die Maschinerie des Falles AB 5387516 am Laufen zu halten, weil er gehofft hatte, diese sture Frau würde sich schließlich doch noch ins Unvermeidliche fügen. Aber als Ian Goller die Beschuldigte nun aus dem Gerichtssaal gehen sah, wurde ihm klar, sie würde nicht aufgeben. Araceli Ramirez war eine Mexikanerin, die offenbar nichts vorzuweisen hatte als eine gute Arbeitsmoral, eine Frau, der ihre Machtlosigkeit im Vergleich zum durchschnittlichen amerikanischen Bewohner des Orange County überhaupt nicht bewusst war. Sie besaß keine Immobilien, keine Sozialversicherungsnummer, keine Kreditwürdigkeit, und trotzdem stolzierte sie in Jeans und Turnschuhen an ihm vorüber wie eine Kaiserin im Exil. Sie lebte offenbar in einer anderen, spanischsprachigen Wirklichkeit, wo diese Dinge keine Rolle spielten, in einer Welt, in der die Menschen sich mit den plebejischen Freuden von Leierkastenmusik und Pick-ups zufriedengaben. Tatsächlich wusste der stellvertretende Oberstaatsanwalt, dass draußen auf dem Parkplatz ein Pick-up mit Fahrer auf die Beschuldigte wartete. Das wusste Goller, weil er Araceli von einem Ermittler beschatten ließ – eine ungeheuerliche Verschwendung der knappen Personalmittel –, doch erst jetzt merkte er, wie ungesund seine Besessenheit mit diesem Fall allmählich wurde. Er wollte, dass diese Frau dieselben rationalen Berechnungen anstellte, die sich ein bereits überführter amerikanischer Verbrecher zurechtgelegt hätte, aber das tat sie natürlich nicht. Nach seiner Erfahrung mit den Mexikanern, die seinen Weg gekreuzt hatten, erwarteten diese Menschen stets das Schlimmste. Sie blieben unverrückbar stur, sobald sie erst mal auf den Gedanken gekommen waren, die Geständnisdeals seien nichts weiter als dreiste Tricks von englischsprachigen Gaunern. All diese Gedanken drängten Ian Goller langsam, aber sicher in eine Depression, denn Aracelis Kapitulation war in diesem Fall der einzige Weg zum Sieg.
    Vielleicht hätte er sich einfach in die Wellen stürzen sollen, sich auf sein Brett stellen und sich vom Wasser anheben und davontragen lassen.
    Staatsanwalt Goller war auf dem Parkplatz, öffnete seinen Kofferraum und stellte fest, dass Neoprenanzug und Miniboard bereitlagen. Dann piepte sein Handy und zeigte eine SMS an: Sein Ermittler folgte der Beschuldigten vom Parkplatz und wollte wissen, ob die Überwachung fortgesetzt werden solle.
    Nein , schrieb der Staatsanwalt zurück.
    Jetzt sah er den Fall The People vs. Araceli N. Ramirez klarer. Es war unüblich, so weit in der Vorverhandlung noch von so vielen unschönen Faktoren belastet zu werden: den Widersprüchen der Eltern, der Dokumentation ihrer Lügen, den ausladenden Phantasien des älteren Jungen. Im Namen der Effizienz wurden die nicht gewinnbaren Fälle üblicherweise so früh wie möglich abgestoßen. Und doch gab es immer noch den Gang der institutionellen Logik, die überwältigende Wahrscheinlichkeit, dass der Richter die Hauptverhandlung eröffnen und aus der Beschuldigten eine Angeklagte machen würde; und dann kam der Zeitfaktor ins Spiel. Mindestens vier Monate würde es bis zum Prozess dauern. So viel Zeit wirkte oft Wunder, denn die Beschuldigten neigten dazu, Fehler zu machen und ihr Leben endgültig zu ruinieren. Eine Angeklagte konnte mit dem Gesetz in Konflikt kommen, während sie auf Kaution frei war, und dann würde sie wegen eines anderen Vergehens festgenommen werden. Oder vielleicht bekamen sie ihren Deal doch noch. Wenn nichts davon

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