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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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noch nicht lange in seinen Gedanken; kaum eine Minute später rannte er den Grashang hinunter, sein Bruder ihm auf den Fersen, und auch die Gründe für den Kampf im Wohnzimmer waren vergessen. Araceli folgte ihnen den Hügel hinab zu den Schaukeln und der Gummimatte und setzte sich auf eine Bank mit Blick zum Meer. Brandon sah, wie sie in die Ferne schaute, zu einem einsamen Surfer, der sich in die Wellen warf und dessen kohlschwarzer Neoprenanzug von der Brandung verschluckt wurde, die wie das Wischwasser in Aracelis Putzeimer aussah. Araceli war in Brandons Universum ein wichtiger Planet; er betrachtete sie häufig, wenn sie am Paseo Linda Bonita durchs Haus schlurfte. Manchmal fragte er sich, ob sie sauer auf ihn war, ob er irgendwas angestellt hatte, denn wieso sonst sollte jemand so lange in seiner Gegenwart schweigen? Doch nachdem er all seine Taten sorgfältig bedacht hatte – nach eigener Einschätzung war er trotz aller Fehler ein »guter Junge« –, kam Brandon zu dem Schluss, dass Araceli nur einsam war. Und wenn er dann an ihre Einsamkeit dachte, kam er weiter zu dem Schluss, dass sie mehr lesen sollte, denn wer las, war nie allein. In den Büchern steckten grenzenlose Welten, manchmal brutal und hässlich, manchmal glücklich und beruhigend.
    Brandon kam der Gedanke, dass er ihr das Buch geben könnte, das er trotz der Intervention seiner Mutter noch hatte einstecken können, aber dann überlegte er es sich anders, ließ es stattdessen auf einer Bank liegen und schloss sich seinem kleinen Bruder auf dem Plastikklettergerüst an. Auf der kurzen Hängebrücke bekriegten sie einander und machten dazu mit trillernden Zungen und aufgeblasenen Backen Kampfgeräusche. Araceli lauschte ihnen, schaute zum grauen Himmel hinauf und fragte sich, wieso die Sonne hier am Strand eigentlich im Sommer seltener zu sehen war als zu allen anderen Jahreszeiten. Aus irgendeinem Grund erinnerte sie der eintönige Himmel an Scotts Unterwäsche, die sie auf dem Tisch liegen gelassen hatte, und an andere Dinge, die im Haus auf dem Hügel unerledigt geblieben waren – wo Maureen wahrscheinlich jetzt gerade die Stille ohne die Jungen genoss. Araceli hätte alles dafür geben, an so einem Sommertag wieder in Mexiko City zu sein, wenn weiße Wolkenbälle über die blaue Himmelsleinwand trieben und man ihnen auf ihrem Weg übers Tal folgen und darauf warten konnte, dass sie einem einen kühlenden Regenschauer aufs Gesicht sprühten. In dieser Uniform, im Amphitheater dieses Parks kam sie sich vor wie eine steife rosa Kiste und nicht wie ein Mensch. Sie schaute zum Strand hinunter und sah den Surfer aus dem Wasser steigen, ein brünetter Teenager im schwarzen Neopren, und augenblicklich stellte sie sich vor, es sei Pepe der Gärtner, dem das Wasser von der nackten Brust tropfte. Sie sah sich selbst auf einem Handtuch am Strand und Pepe auf sich zukommen, die Wassertropfen hafteten erotisch an seinen Brustmuskeln, er kam den Strand herauf zu ihr, beugte sich über sie, ließ Salzwasser über ihre trockene, einsame Haut tropfen.
    Zehn Meilen von den Laguna Rancho Estates entfernt, im dritten Stock eines Bürogebäudes, in einem Gewerbegebiet an einer breiten und wenig befahrenen Ausfallstraße, wo die Stadt Irvine nur dünn von mittelgroßen Unternehmen mit nichtssagenden Namen besiedelt war, schuftete Scott Torres an seinem Arbeitsplatz. Er saß vor einem Computerflachbildschirm, der gerade fünf verschiedene Ansichten des Cincinnati/Northern Kentucky National Airports zeigte. Halb abgestumpft, halb gespannt wartete er darauf, dass das kniehohe Gras am Fuß der Flughafenumzäunung von einem Windstoß oder dem Rückstoß eines startenden Flugzeugs bewegt wurde und damit bestätigte, dass er tatsächlich ein Livebild sah. Im Laufe des Morgens hatte Scott die Webcams zu verschiedenen Örtlichkeiten in den Vereinigten Staaten angeklickt und festgestellt, dass es auf der Minot Air Force Base in North Dakota regnete und dass die langen Schatten des arktischen Sommers sich unter der Alaskapipeline dehnten. Die Pipeline zur Beringsee war ein Sommerfavorit in den Büros von Elysian Systems, da bei dieser Übertragung zumindest die Chance bestand, einen Elch zu entdecken oder ein paar Hirsche, die über die Tundra trabten. Den ganzen Tag waren auf den Bildschirmen im dritten Stock von Elysian Systems einsame Zäune zu sehen, die scheinbar reglos eingefroren dastanden, wie die menschenleere Welt eines verstörenden Traumes, und nur die

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