In den Häusern der Barbaren
wie Maureens Blick sich fokussierte. Ihre patrona plante mit diesen Pflanzen eindeutig eine große, dramatische Geste. Die Gärtnereichefin sprach weiter über die Vorzüge eines Wüstengartens und beobachtete dabei Maureens Reaktionen. Sie sah, dass Maureen Geld hatte: Die Mexikanerin mit den Kindern im Schlepptau sandte das gleiche Signal aus wie eine deutsche Luxuskarosse oder ein protziges Schmuckstück um Maureens Hals. Dazu kam noch ihre königliche Haltung, der lange, geschmeidige Bogen ihrer frisch frisierten Haare und die Aura verwöhnter Zerstreuung – es überraschte Araceli nicht, dass die Gärtnerin ihr eine besondere Behandlung zuteilwerden ließ, eine Behandlung, die norteamericanos für Menschen reservierten, die eine Menge Geld auszugeben hatten. Sie beantwortete Maureens Fragen mit »Sicher«, »Natürlich« und »Das würden wir wahrscheinlich hinkriegen«. Einen Augenblick lang verstärkte die ölig freundliche Gärtnerin Aracelis untergründig anschwellendes und nicht rational erklärbares Angstgefühl. Es gefiel ihr nicht, zwischen diesen stacheligen Pflanzen herumzulaufen, und auch der angespannte und ungeduldige Gesichtsausdruck ihrer patrona gefiel ihr nicht. Maureen zog eine ihrer geschwungenen Haarsträhnen hervor und steckte sie sich in den Mund.
»Wir melden uns dann«, sagte Maureen zur Leiterin der Gärtnerei. Nachdem sie abwesend eine kleine Sammlung von Sukkulenten auf dem Tisch vor sich betrachtet hatte, wandte sie sich zu Araceli und verkündete: »Fahren wir in die Mall.«
6 Der Spielplatz war um die Rutschen und Schaukeln herum mit einem Gummifallschutz ausgelegt und lag am Fuß eines Abhangs mit bewässertem Wiesengras, der in Richtung Strand und Meer schaute. Vormittagstau lag auf dem Gras, und der Spielplatz war verlassen, was Araceli irgendwie enttäuschend fand. Sie hatte Menschenmengen erwartet, rennende Kinder, himmelwärts steigenden Grillrauch, doch das Einzige, was sich hier bewegte, waren die von der unsichtbaren Hand der Meeresbrise angeschobenen Schaukeln, deren Kunststoffsitzbänke nebelfeucht waren. In der Ferne war das Rauschen der Brandung zu hören und manchmal das Jaulen oder Brummen eines Autos auf der Straße, die sich um den Spielplatz herumwand. Die Wolkendecke war ein weiß-graues Dach, wie an den meisten Sommermorgen, ehe die Sonne hoch genug stand, um alles blau zu brennen. Auf dem ganzen Tableau herrschte eine meditative ozeanische Stille, wenn man von Maureen absah, die im Auto ihre Söhne ausschimpfte.
Vor einer halben Stunde hatte sie, alarmiert vom Geschrei und Gebrüll, die beiden im gegenseitigen Klammergriff auf dem Wohnzimmerboden entdeckt – direkt vor dem Bücherregal, in dem die Bilderrahmen und die beiden andalusischen Glasvasen klirrten, weil Keenan seinen Bruder beim Ringen rückwärts dagegenschob. »Es wird noch was in die Brüche gehen!«, hatte Maureen gerufen, wobei nicht ganz klar war, ob sie die Gegenstände im Regal oder die Körper ihrer Jungen meinte. Sie grunzten und jaulten, als Maureen sie zu trennen versuchte, während Keenan seine Zähne ins Handgelenk seines älteren Bruders grub und Brandon »Geh von mir runter!« schrie und sich mit einem Tritt zu befreien versuchte. Vor einer Stunde habe ich ihnen gesagt, sie sollen den Fernseher ausschalten, und kaum ist die betäubende Wirkung des Bildschirms weg, dürsten sie nach Blut. Das war kein Spiel, sie benahmen sich wie zwei Betrunkene in einer mit billigem Sägemehl ausgestreuten Bar. So was passierte ein- oder zweimal die Woche, eine von Testosteron befeuerte Prügelei, die ganz plötzlich aus dem friedlichen Spiel der Brüder entstand. Maureen glaubte, eine Mutter müsse das Gewaltpotenzial des Y-Chromosoms am besten in der Kindheit schon ausmerzen, damit die Familie nicht eines Tages von dem Schusswaffenhorror heimgesucht würde, der die Fernsehnachrichten beherrschte. Sie hatte beschlossen, die Jungen aus dem Haus zu bringen, der freie Himmel als Strafe, ein Nachmittag mit Araceli als Aufpasserin.
Im Auto kämpfte Keenan immer noch mit den Tränen, Brandon hingegen starrte trotzig aus dem Fenster. Maureen setzte zu einem ihrer Monologe über den Verlust von »Rechten« an. »Ehrlich, Jungs!«, sagte sie abschließend. »Manchmal wünschte ich, ich könnte euch einfach bei eurem Vater lassen und mit Samantha weggehen. Irgendwohin, weit weg.« Dann wandte sie sich direkt den Jungen zu und sagte: »Ich wünschte, ich könnte euch bei eurem Vater lassen!« Das war
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