In den Häusern der Barbaren
für 8-12-Jährige las, in dem bewaffnete Elfenteams die Zeit anhielten. Wie der junge Detektiv und Held mal wieder einer Bande Maschinengewehre schwingender Banditen entkam, war so packend, dass Brandon das Fehlen des Couchtischs nicht einmal bemerkte.
Nachdem Araceli die Frühstücksreste abgeräumt hatte, schlenderte sie durchs Haus, sammelte schmutzige Wäsche ein, wobei sie mit den Schlafanzügen der Jungen begann und dann in Samanthas Zimmer hinüberging. Wieder einmal war sie in Gedanken bei Felipe, denn nachdem die Kasserolle weggeräumt war, in der sie den Grießbrei gekocht hatte, hatte sie eine plötzliche Vorahnung, dass er sie heute anrufen würde – vielleicht eine Art übersinnliche Verdrängung des Erlebnisses von gestern Abend, des Streits zwischen Scott und Maureen. Im Angesicht der gewalttätigen Auseinandersetzungen reifte nun ein Samenkorn des Glücks. Hoy el gordito me va a llamar. Im Tagtraum tanzte Araceli mit ihrem »Dickerchen«, als sie ins Babyzimmer kam, die Bettdecke auf dem Boden bemerkte und sofort schloss, dass Maureen dort geschlafen hatte. Ein paar Minuten später wurde die Annahme bestätigt, da sie das Bett im Elternschlafzimmer exakt so vorfand, wie sie es gestern Nachmittag verlassen hatte. El señor Scott hatte eindeutig auch nicht hier geschlafen; wahrscheinlich hatte er sich sein Bett vorm großen Fernseher gemacht, und in der Tat, beim letzten Halt ihrer Wäschesuche fand Araceli dort einen Schlafsack und ein Kissen auf dem Boden. Sie ging in die Waschküche, stopfte die erste Ladung mit Maureens Wäsche in die Maschine, nachdem sie zuvor vergeblich nach Blutflecken gesucht hatte: Scheint so, als hätten sie sich nicht gegenseitig umgebracht. Schließlich kehrte sie zurück in die Küche und war nicht sonderlich überrascht, dass ihr auf ihrer Wanderung durchs Haus la señora Maureen kein einziges Mal über den Weg lief. Das Haus war groß, an den meisten Tagen ging Maureen mehrmals unangekündigt ein und aus.
Um Viertel nach zwölf kamen die Jungen zum Mittagessen wieder in die Küche, und erst als sie die letzten frittierten Hühnchenstreifen verschlungen hatten, fragte Keenan, der Veränderungen der Umgebung für gewöhnlich rascher wahrnahm als sein älterer Bruder, ganz beiläufig: »Wo ist meine Mutter?«
Araceli ließ gerade eine Kasserolle im Seifenwasser einweichen und wandte sich zu ihm um.
»¿No está en la casa?«
»Nein, sie ist nicht hier.«
»Das ist seltsam«, sagte Araceli. Einen Augenblick hatte sie das Gefühl, sie sollte irgendwas Ablenkendes sagen, eine dieser verbalen Irreführungen, in denen Mexikaner besonders gut waren, so etwas wie Ach ja, jetzt fällt es mir ein, sie ist ja auf den Markt gegangen . Sie hätte die leichte Sorge vertreiben können, die sich plötzlich in Keenans haselnussbraune Augen gesenkt hatte. Doch sie sagte nichts und dachte nur, dass sie an jedem anderen Tag kaum bekümmern würde, wenn Maureen zwei oder drei Stunden ohne die Jungen das Haus verließ, aber nach den Ereignissen von gestern Abend …? Angesichts dieses Wolkenwirbels aus Unordnung und emotionalen Zusammenbrüchen schien alles möglich. Am ersten Tag ein Trupp Männer mit Macheten, die den Garten klein hackten, am nächsten Tag rangen ihre patrones im Wohnzimmer miteinander. Was wohl noch? Vielleicht hat meine verrückte jefa auch die Kleine hiergelassen und mir nichts davon gesagt. In der Zeit, die sie zum Schrubben der Kasserolle brauchte, verwandelte sich diese Vorstellung von absurd zu plausibel. Araceli stürzte aus der Küche, die Hände noch tropfnass vom Spülwasser. Sie ließ Keenans »Was ist denn los?« unbeantwortet und lief in großen Schritten ins Wohnzimmer, in Samanthas Zimmer, durch die Flure, in die Wandschränke und rief »Samanta! Samanta!«, ignorierte das th genauso, wie es die Kleine in sechs Monaten tun würde, wenn sie zum ersten Mal ihren eigenen Namen aussprach. Schließlich sprintete Araceli aus dem Haus in den Garten, über den Rasen zum kühlen Blau des Swimmingpools. Nein, bitte, nein, nicht hier, aquí no , bei Nuestra Señora Purísima , nein. Das Kind war nicht im Pool, auch nicht im Wüstengarten, nirgendwo auf dem Grundstück 107 Paseo Linda Bonita, denn selbstverständlich hatte Maureen es mitgenommen. Araceli sah, die Kleine war bei la señora Maureen. Kein Grund zur Panik.
Im Wohnzimmer versuchte Araceli, wieder zu Atem und zu Verstand zu kommen, sich wieder zu fassen. Sie stand auf dem leeren Fleck Fliesen, wo zuvor
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