In den Klauen des Bösen
weg. Und sonst wüssten wir nicht wohin.«
Carl empfand ein Ressentiment - sie wollten gar nicht nach Hause zu ihm, sie hatten bloß keine Alternative. Aber, sagte er sich, dann hätte er sie wenigstens bei sich. Und wenn Mary erst einmal das neue Villejeune kennengelernt hätte - wer weiß, vielleicht würde sie immer bleiben wollen.
Hier war sie schließlich geboren, wie Ted, wie Carl und wie sein Vater vor ihm auch. Hier war ihre Heimat.
»Okay«, sagte Carl laut. »Laß mich nur wissen, was ich für euch tun kann und wann ihr kommt.«
»Danke, Vater«, sagte Ted. »Es ist - also, es ist prima zu wissen, dass ich auf dich zählen kann.«
»Das ist doch selbstverständlich, mein Sohn«, sagte Carl. »Wenn man sich nicht auf seinen Vater verlassen kann, auf wen dann?«
Er legte auf und stieg aus dem Bett, duschte, zog sich an, frühstückte, alles in großer Eile, doch als er aus dem Haus in den feuchtheißen Floridamorgen hinaustrat, hatte er sich bereits mehr als vierzig Minuten verspätet.
Aber eigentlich war das nicht weiter schlimm. Da er Dr. Phillips wegen der Schmerzen aufsuchen musste, die sich von der Hüfte aufwärts ausweiteten, war sein Tagesplan sowieso im Eimer.
Entscheidend war nur, dass Ted und Mary endlich nach Hause kämen und Kelly mitbrachten.
Während der Fahrt durchs Dorf stieg die Hitze. Villejeune war am Nordrand der Everglades den Floridasümpfen abgerungen worden, vor so langer Zeit, dass keiner das genaue Datum der Stadtgründung kannte; es war rund drei Jahrhunderte her. Villejeune hatte ein paar Höhepunkte erlebt, doch meist waren die Einwohner nur mit Mühe und Not über die Runden gekommen. Die erste Blüte setzte Anfang des neunzehnten Jahrhunderts ein, mit hektischen Plantagengründungen; lange hatten die Plantagen nicht überdauert; die stets wuchernden Sümpfe und Marschen hatten das kultivierte Land zurückerobert. Die Prohibition hatte der Gegend genutzt, die Schmugglern zahllose Schlupfwinkel bot; eine Zeitlang hatte Villejeune vom Schwarzhandel mit Rum recht gut gelebt. Und am Ende erreichte die Baulandentwicklung in Florida sogar Villejeune, jedenfalls für ein paar Monate - bis niemand mehr Land kaufen wollte, das einen Meter unter Wasser stand. Und mit der Prohibition war es in Villejeune auch mit dem Wohlstand vorbei gewesen. Im folgenden halben Jahrhundert begann ein langsamer, doch stetiger Niedergang; das Zypressenholz, aus dem die Häuser gebaut worden waren, fiel unaufhaltsam dem Klima zum Opfer, und die Menschen versuchten, so gut es halt ging, in einem Umfeld zu überleben, das so unsicher und heimtückisch war wie der Boden unter ihren Füßen.
Vor nur wenigen Jahren hatten klammheimlich dann Kalifornier in der Gegend von Orlando im Norden große Gebiete aufgekauft und aus der Marschgegend ein Disney World gemacht. Plötzlich begann die ganze Region aufzublühen; es dauerte gar nicht lange, bis Phil Stubbs, der sich über drei Jahrzehnte mit einem einzigen lecken Leichter und abenteuerlustigen Touristen, die unbedingt das Moor kennenlernen wollten, über Wasser gehalten hatte, sich ein neues Boot kaufen konnte und noch ein neues Boot und noch eines...
Carl Anderson hatte die Entwicklung in Orlando verfolgt, erkannt, dass sie sich nach Süden ausweiten würde und sich mit einigen Partnern in aller Eile soviel Sumpfterrain wie nur möglich gesichert. Während der letzten fünf Jahre hatte er die Optionen genutzt, das Land entwässert und Siedlungen für Pensionäre gebaut. Mit ein paar kleinen Häusern hatte er angefangen; Kondominien waren rasch gefolgt. Inzwischen war ein ganzes Netz von Kanälen entstanden; selbst die kleinste Siedlung besaß winzige Bootshäfen. Die größeren Bauten im Floridastil besaßen eigene Anlegeplätze; zur jüngsten Siedlung, seinem ganzen Stolz, sollte sogar ein Golfplatz gehören. Mit dem Verkauf dieser Anwesen hatte Carl Anderson, wie erwartet, keine Probleme gehabt - für Ruheständler war das hiesige Wetter ideal; im übrigen garantierte ihnen ein Zuhause in Villejeune den regelmäßigen Besuch von Kindern und Enkelkindern. Dass die Kleinen mehr zur Besichtigung von Disneyland als wegen des Besuchs der Großeltern kamen, war unerheblich. Wichtig war, dass sie kamen; und Villejeune lag Orlando nahe genug, um die Besichtigung von Disney World problemlos zu gestalten, und anderseits weit genug entfernt, um seine Eigenart zu wahren und nicht überlaufen zu sein. Ob das noch lange so bleiben würde, schien fraglich; doch
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