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In den Ruinen von Paris

In den Ruinen von Paris

Titel: In den Ruinen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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genau das aufgefallen war: Es war zu still. Der Chor zischelnder, kreischender, pfeifender Tierstimmen, der sie auf Schritt und Tritt begleitet hatte, war verstummt. »Was ist los?« fragte Net, die nun zu ihnen aufgeschlossen hatte. Charity zuckte mit den Achseln und machte eine vage Handbewegung in den Dschungel vor sich. »Es ist zu still«, antwortete sie. »Irgend etwas ... stimmt nicht.« Charity wollte weitergehen, aber Skudder hielt sie mit einer raschen Handbewegung zurück und trat wortlos an ihr vorbei, wobei er wieder seine Waffe zog. Charity sah ihm stirnrunzelnd nach, verkniff sich aber jede Bemerkung. Sie hatte es niemals gemocht, wenn man sie als eine schwache Frau behandelte, die beschützt werden mußte, aber Skudder hatte schon häufiger bewiesen, daß er über äußerst scharfe Sinne verfügte. Sie sah sich noch einmal sichernd um, ehe auch sie ihre Waffe zog und weiter ging. Net und Gurk schlössen sich ihr an. Auch die junge Wasteländerin wirkte angespannt, und selbst auf Gurks Gesicht hatte sich ein alarmierter Ausdruck breit gemacht. Skudder war ein paar Schritte vorausgegangen und blieb plötzlich stehen. Einen Moment lang stand er reglos in einer fast erschrockenen Haltung da, dann drehte er sich herum und winkte Charity und den anderen, näher zu kommen. »Also?« fragte Charity, als sie ihn erreicht hatte. Statt zu antworten, bog Skudder die Büsche ein wenig mehr zu Seite. Sie hatten den Rand des Waldes erreicht. Vor ihnen befand sich nur noch ein vielleicht fünf oder sechs Schritte messender Streifen, auf dem außer Moos, Pilzen, einem Gewirr graubrauner Luftwurzeln und einiger dürrer Büsche nichts mehr wuchs. Dahinter lag ein sicherlich fünfhundert Meter breiter Graben, auf dessen Boden sich brauner Morast befand: das ausgetrocknete Flußbett. Das jenseitige Ufer schien ein gutes Stück höher zu liegen. Auch dort hatte die wuchernde Vegetation fast alle Spuren menschlicher Zivilisation verschlungen. Trotzdem hatte Charity das Gefühl, daß sich der Wald dort irgendwie von ihrem unterschied. »Und was jetzt?« drang Nets Stimme in ihre Gedanken. Charity zögerte noch einen Moment, dann zuckte sie unschlüssig mit den Achseln und deutete mit einer Kopfbewegung auf das jenseitige Ufer. »Dort hinüber.« Net blickte unwillig auf den morastigen Graben, schwieg aber. »Gibt es irgendeinen Grund dafür?« fragte statt dessen Gurk. Charity überhörte den ärgerlichen Unterton in seiner Stimme geflissentlich und antwortete so ruhig wie es ihr möglich war. »Das ist die Richtung, die uns Kyle geraten hat.« »Kyle!« Gurk fuchtelte wütend mit den Händen in der Luft herum. »Du scheinst ja regelrecht in diesen widerlichen Kerl verschossen zu sein.« »Ich traue ihm«, antwortete Charity ruhig. »Ich auch«, fügte Net hinzu. Gurk blickte die beiden jungen Frauen böse an. »Na wunderbar«, sagte er giftig, »dann seid ihr ja schon zwei.« »Drei«, sagte Skudder ruhig. Er lächelte beinahe verlegen, als er Charitys überraschten Blick bemerkte. »Er hatte keinen Grund uns zu belügen«, fuhr er fort. »Er hätte uns jederzeit umbringen können, wenn er gewollt hätte.« »Vielleicht will er es ja nicht«, sagte Gurk. »Vielleicht hatte er ja andere Pläne mit uns.« Charity setzte zu einer scharfen Antwort an, besann sich dann aber und schritt voran, um aus dem Wald herauszutreten. Ein warmer Wind schlug ihnen entgegen, der den Gestank des morastigen Flußgrunds mit sich trug. Schaudernd sah Charity sich um. Sie fühlte sich schutzlos. Trotz aller Gefahren, die er beherbergte, hatte ihnen der Dschungel auch gleichzeitig Deckung geboten. Hier draußen aber bewegten sie sich wie auf dem Präsentierteller. Sie blickte in das leere Flußbett hinab und fragte sich, wieso die Vegetation Morons nicht auch dort wucherte. Der faulige Morast mußte einen geradezu idealen Nährboden für Sporen und Sämlinge bieten, die der Wind herantrug. Aber so weit sie blicken konnte, durchbrach nicht der winzigste grüne oder violette Fleck das monotone Braun des Flusses. Net trat neben sie und beugte sich behutsam vor, um in die Tiefe zu blicken. »Nicht gerade einfach, dort hinunterzusteigen«, sagte sie. Charity nickte stumm. Das Flußbett war zwar nicht sehr tief, aber das Ufer bestand zum größten Teil aus Mauerwerk, Beton oder Felsen. Es würde ausgesprochen gefährlich werden, dort hinabzusteigen - und auf der anderen Seite wieder hinauf. »Warum gehen wir nicht über die

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