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In den Ruinen von Paris

In den Ruinen von Paris

Titel: In den Ruinen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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langsame Schlagen eines weit entfernten, gigantischen Herzens. Im ersten Moment wollte sie den Gedanken als völlig abwegig abtun, aber dann begriff sie, daß es nicht das erste Mal war, daß sie ein solches Gefühl überkam: sich an etwas zu erinnern, woran sie sich gar nicht erinnern konnte, weil sie es nie erlebt hatte. Es begann mit der Sprache: Manche Worte und Begriffe der Moroni rührten etwas in ihr an, als läge tief, tief in ihr ein uraltes Wissen, das nicht erlernt, sondern ererbt war. Sie verjagte den Gedanken endgültig und ging weiter, blieb aber auch jetzt bereits nach zwei Schritten wieder stehen. Und auch Skudder und Net erstarrten plötzlich. Der graubraune Schlamm bewegte sich. Eine träge, mühsame Wellenbewegung kräuselte seine Oberfläche; das langsame Herangleiten einer glitzernden Woge, als kröche etwas dicht unter der Oberfläche heran. Und dann, von einer Sekunde auf die andere, explodierte der Fluß.Wo bisher nichts als trügerische Ruhe gewesen war, da schoß plötzlich ein halbes Dutzend kochender Schlammgeysire in die Höhe, spritzende Eruptionen aus graubraunem Schleim, die sie mit widerlicher, nasser Wärme überschütteten und sie zurücktaumeln ließen. Und inmitten dieser brodelnden Schlammvulkane erschienen plötzlich dunkle, vielgliedrige Körper! Charity schrie auf, als die dürren Arme einer Ameise wie stählerne Fangzähne nach ihr schnappten und sie festhielten. Sie versuchte, sich loszureißen, aber ihre Kräfte reichten nicht. Das Ungeheuer riß sie ohne sichtbare Anstrengung in die Höhe, preßte mit zwei Händen ihre Arme an den Körper und bog mit einer dritten ihre rechte Hand beiseite, als sie die Waffe auf die Ameise richten wollte. Es gelang ihr, den Abzug zu erreichen, aber der giftgrüne Laserstrahl fuhr harmlos an dem Ungeheuer vorbei und verwandelte den Schlamm hinter ihr in kochenden Dampf. Charity bäumte sich auf, trat mit verzweifelter Kraft um sich und erntete als einzige Reaktion einen stechenden Schmerz, der durch ihren rechten Fußknöchel schoß. Ihre Hände glitten hilflos über den Gürtel, versuchten vergeblich, die zweite Waffe zu ziehen, die sie bei sich trug - aber sie fanden etwas anderes. Die Ameise stieß einen gellenden Pfiff aus, als Charitys Linke den Körperschild einschaltete und mehr als fünfzigtausend Volt auf das Ungeheuer übersprangen. Ihr Griff lockerte sich. Es stank nach verbranntem Horn. Charity riß sich mit einer verzweifelten Anstrengung los, stürzte ungeschickt in den Morast und fing sich im letzten Moment wieder. Eine zweite Ameise sprang sie an und wurde wie die erste zurückgeschleudert. Aber der blaue, knisternde Lichtbogen war bereits schwächer geworden, und dieses Ungeheuer blieb nicht liegen wie sein Vorgänger, sondern plagte sich nach einer halben Sekunde umständlich wieder auf. Es griff nicht wieder an, sondern stand einfach da, schüttelte in einer bedrückend menschlich anmutenden Geste den Kopf und sank dann erneut zu Boden.Charity zog hastig ihre zweite Waffe, entsicherte sie und feuerte blindlings, als sie eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. Der Laserstrahl durchschlug den Brustpanzer der Ameise und entlud seine gesamte Energie schlagartig in ihr Inneres. Das Monster explodierte förmlich, aber hinter ihm stürmte bereits eine weitere Ameise heran. Charity erschoß auch sie und fuhr herum. Hinter ihr waren Net und Skudder damit beschäftigt, die beiden letzten Moroni niederzustrecken, die den mißglückten Überraschungsangriff bisher überlebt hatten. Aber es war nur eine kurze Atempause, die ihnen blieb. Im Augenblick waren keine weiteren Ameisen zu sehen, aber der Fluß schien überall zu brodeln. Wenn jede Spur im Schlamm eine Ameise bedeutete, dachte sie entsetzt, dann mußten sich Tausende dieser Ungeheuer unter dem Morast verborgen halten! Ihr Blick streifte den Kadaver einer Insektenkreatur. Er war schon wieder halb im Morast versunken, aber sie erkannte trotzdem, daß sich diese Ameise irgendwie von den anderen unterschied. Sie wirkte kleiner und zerbrechlicher. Sie sah sich nach Gurk um. Der Zwerg war gestürzt und saß nun fast bis zum Kinn in der schmierigen, braunen Brühe. Mit einem Schritt war sie bei ihm, riß ihn in die Höhe und zerrte ihn mit sich zu Skudder und Net hinüber. »Das ist eine Falle!« sagte Skudder. »Sie haben auf uns gewartet!« Charity antwortete nicht, sondern hob ihren Laser und gab einen Schuß auf eine der träge dahinkriechenden Schlammwogen ab.

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