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In den Ruinen von Paris

In den Ruinen von Paris

Titel: In den Ruinen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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leuchteten. Barler ließ ihr ausreichend Zeit, ihre Überraschung zu überwinden. Dann trat er näher an die Tür heran und ließ seinen Scheinwerferstrahl in den Gang dahinter fallen - und Charity zuckte ein zweites Mal zusammen. Auf dem nackten Beton hinter der Tür lagen vier Tote. Zwei davon waren Menschen, die beiden anderen Ameisen. Sowohl die Menschen als auch die Insektenkreaturen waren auf fürchterliche Weise entstellt: Die beiden Toten mußten schon sehr lange hier liegen, denn die Körper waren mumifiziert, aber Charity konnte trotzdem erkennen, wie verzerrt die Gesichter waren, als hätten sie unvorstellbare Qualen erlitten, ehe sie starben. Sie schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund und prallte einen halben Schritt zurück. Barler schwieg, dann trat er einen weiteren Schritt auf die Tür zu und hob die Hand. Die Bewegung schien einen verborgenen Mechanismus auszulösen, denn plötzlich wich die Dunkelheit auf der anderen Seite der Tür einem milden, sanft gelben Licht, und im Türrahmen selbst erschien ein schmales, rotes Leuchtband. Ein elektrisches Summen erklang, und irgendwo schaltete sich ein Tonband ein und leierte eine Warnung herunter. Die Worte waren nicht mehr zu verstehen; das Band mußte so oft abgelaufen sein, daß es unbrauchbar geworden war. »Also?« Barler legte den Kopf auf die Seite und sah sie prüfend an. »Was ist das?«  Charity glaubte die Antwort zu wissen, doch instinktiv hob sie die Hand und tastete mit den Fingerspitzen über das kühle Metall der Ausweisplakette. Sie hatte Angst davor, diese Tür zu durchschreiten. Sie wußte sehr genau, was auf der anderen Seite war, und sie wußte auch, daß sie es im Grunde nicht zu fürchten brauchte - aber das Ding an ihrem Hals war fast sechzig Jahre alt. Sie hatte keine Garantie, daß es nach all dieser Zeit ebenso verläßlich funktionierte wie die Todesmaschinerie, die in die Decke des Ganges eingelassen war. Doch ihr blieb keine andere Wahl. So raffte sie all ihren Mut zusammen, schloß die Augen - und machte einen entschlossenen Schritt. Nichts geschah. Das Tonband schaltete sich mit einem hörbaren Klicken ab, und das Licht im Türrahmen flackerte. Charity machte einen weiteren Schritt, sah sich suchend um und entdeckte den kleinen Schaltkasten an der Wand, vier, vielleicht fünf Schritte vor ihr; allerhöchstens noch einen Meter von der ausgestreckten Hand eines der toten Insektenkrieger entfernt, der noch sterbend versucht hatte, ihn zu erreichen. Sie überwand ihren Widerwillen, ging mit klopfendem Herzen weiter und schlug dabei einen respektvollen Bogen um die beiden toten Menschen und die Kadaver der beiden Ameisen.  Mit zitternden Händen löste sie die ID-Plakette von der Kette an ihrem Hals, schob sie in den schmalen Schlitz des Gerätes und lauschte mit angehaltenem Atem. Eine, zwei, drei entsetzliche, endlose Sekunden hindurch geschah nichts. Dann hörte das Summen auf, und das Licht im Schaltkasten wechselte von Rot auf Grün. Mit einem leisen Summen glitt die Plakette wieder aus dem Schlitz des Minicomputers, und Charity griff danach und befestigte sie hastig wieder an der Kette. Dann drehte sie sich zu Barler herum und winkte. »Es besteht keine Gefahr mehr. Sie können hereinkommen.« Barler zögerte. Einen Augenblick lang verweilte sein Blick auf den beiden Toten, dann überwand er sich, machte einen Schritt durch die Tür und blieb abermals stehen. Er sah sich unsicher um, aber nach einigen weiteren Sekunden schien er zu begreifen, daß, was immer die beiden Menschen und die beiden Ameisen umgebracht hatte, zumindest im Augenblick keine Gefahr mehr darstellte. Aufatmend ging er weiter und blieb vor Charity wieder stehen. »Sie gehören also tatsächlich zur Space Force«, sagte er. »Und Sie scheinen mehr als ein kleiner Captain gewesen zu sein.« Charity schüttelte den Kopf. »Sie täuschen sich«, sagte sie. »Meine Kameraden und ich hatten den Auftrag, den Präsidenten und andere Regierungsmitglieder in Sicherheit zu bringen. Aus diesem Grund erhielten wir diese Ausweise.« Barler zuckte mit den Schultern und lächelte. »Es spielt ja auch keine Rolle, warum Sie ihn haben. Hauptsache, Sie haben ihn. Was ist das hier?« Charity zögerte einige Sekunden, bis ihr bewußt wurde, wie albern ihr Zögern war. Die Zeiten, in denen diese unterirdische Anlage der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlegen war, gehörten längst der Vergangenheit an. »Eine geheime Anlage«, antwortete sie.

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