Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den Ruinen von Paris

In den Ruinen von Paris

Titel: In den Ruinen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
hier die Tiere zurückgedrängt zu haben. Auf ihre Fragen gab Barler bereitwillig Auskunft. »Wir haben von Anfang an darauf geachtet, daß die Biester nicht überhandnehmen«, sagte er. »Natürlich ist es uns nicht gelungen, sie völlig auszurotten. Ich würde Ihnen nicht unbedingt raten, allein und waffenlos in diesem Wald spazierenzugehen. Aber solange Sie auf den Straßen bleiben und ein wenig die Augen offenhalten, kann Ihnen kaum etwas passieren.« Charity sah ihn überrascht an. »Sie haben die ganze Freie Zone gesäubert?« Barler zuckte mit den Achseln und blieb stehen. »Oh, sie ist nicht so groß, wie Sie glauben«, antwortete er. »Nicht ganz elf Kilometer am Fluß entlang und knapp fünf in diese Richtung.« Er deutete nach Westen bis zur Mauer.  »Und dahinter?« Barler maß sie mit einem undeutbaren Blick. »Das sollten Sie besser wissen als ich.« »Diese Mauer«, fuhr Charity fort, »was genau ist sie?« »Wenn wir das wüßten, hätten wir sie wahrscheinlich schon beseitigt«, erwiderte Barler ernst. »Es ist jedenfalls keine richtige Mauer. Ich werde sie Ihnen zeigen. Es ist nicht mehr weit von hier.« Er ging weiter, so daß Charity keine Gelegenheit fand, eine weitere Frage zu stellen, sondern sich beeilen mußte, nicht den Anschluß zu verlieren. Barler blieb plötzlich stehen und deutete auf einen gut zwei Meter hohen, schmiedeeisernen Zaun, der von Ranken und wuchernden Blättern fast zu einer undurchdringlichen Hecke gemacht worden war. Dahinter befand sich ein zweigeschossiges Gebäude aus weißem Marmor, das früher einmal ein wahrer Prachtbau gewesen sein mußte. Charity hatte das Gefühl, dieses Haus schon einmal gesehen zu haben. Dann fiel ihr Blick auf eine blind gewordene Messingtafel neben dem Tor, und nach einem Moment entzifferte sie die kaum noch leserliche Aufschrift: EMBASSY OF THE UNITED STATES OF AMERICA Überrascht sah sie Barler an. »Die Botschaft?« Barler drehte sich zu ihr herum und nickte Er lächelte flüchtig. »Warum nicht? Ich bin sicher, Ihr Botschafter kann Sie identifizieren.« Er sagte das mit solchem Ernst, daß es einen Moment dauerte, bis Charity überhaupt begriff, daß er einen Scherz gemacht hatte. Sie lachte gezwungen, ging weiter und ließ den Blick dabei neugierig über die Fassade des weitläufigen Prachtbaus schweifen. Die Zerstörung, der ganz Paris anheimgefallen war, war auch an dem Botschaftsgebäude nicht spurlos vorübergegangen: Die meisten Fensterscheiben waren zerborsten, das Dach und ein Teil des darunterliegenden Stockwerkes waren zerstört; nur ein paar geschwärzte Balken ragten noch heraus. Die leeren Fensterhöhlen waren brandgeschwärzt. Charity fragte sich flüchtig, was hier geschehen war. Anders als New York, dessen Untergang sie mit eigenen Augen mitangesehen hatte, schien Paris nicht schnell und lautlos besiegt gestorben zu sein. Die Ruinen, die verkohlten Häuser und die gewaltigen Krater, denen sie auf Schritt und Tritt begegnet waren, sprachen ihre eigene Sprache. Sie blieb vor der breiten Marmortreppe stehen, die zum Eingang hinaufführte. »Was wollen wir hier?« Barler deutete zur Tür: »Gehen Sie weiter, Captain Laird. Dort drinnen finden wir die Antwort auf die Frage, wer Sie wirklich sind.« Im Innern des Gebäudes war es so dunkel, wie sie erwartet hatte. Als sie die Tür hinter sich schloß und einen Moment stehenblieb, um sich an das Dämmerlicht zu gewöhnen, hörte sie ein leises, monotones Summen. Sie fuhr überrascht zusammen, als sie begriff, was es war. »Die Air Condition ... « murmelte sie überrascht. Barler sah sie wortlos an. »Sie funktioniert noch«, sagte Charity fassungslos. »Nach all dieser Zeit.« Der Franzose nickte. »Hier drinnen funktioniert noch eine ganze Menge«, sagte er. Er hob die Hand und wies auf eine offenstehende Tür. »Sehen Sie.« Charity erkannte einen Schreibtisch, in dessen Sessel ein vornübergesunkenes Skelett vergeblich versuchte, die schwarze Paradeuniform eines Marineinfanteristen auszufüllen. Vor dem fünfzig Jahre alten Leichnam stand ein staubbedecktes Computerterminal, auf dessen Bildschirm grüne Leuchtbuchstaben flimmerten. »Unglaublich!« murmelte Charity. Barler lächelte leicht. »Tja«, sagte er achselzuckend, »Vor-kriegsware. Damals wurde eben noch Qualität hergestellt.« Charity sah ihn verwirrt an. Sie war nicht sicher, ob in Barlers Stimme wirklich Spott mitschwang. »Was wollen wir hier?« fragte sie. »Sie haben mich doch nicht

Weitere Kostenlose Bücher