In Den Schatten Lauert Der Tod -1-
trauen sich noch nicht einmal mehr, aus Spaß ein Fünftausend-Dollar-Abendkleid anzuprobieren. Ein paar Lektionen in weiblicher Machtausübung würden Ihnen guttun.«
Erin riss der Geduldsfaden. »Unterstehen Sie sich, mich zu manipulieren!«
Tamara legte den Kopf schräg und überlegte sich ihren nächsten Schachzug. »Es ist doch nur ein Spiel«, wiederholte sie. »Probieren Sie die Kleider an, Erin. Sie sind bildschön, genau wie Sie. Lassen Sie mich Ihnen zeigen, wie aufregend es ist, wirklich glamourös zu sein. Es ist wie Magie. Und es macht Spaß. Sehen Sie sich nur dieses prachtvolle Kleid an. Ich sage Ihnen besser nicht, wie viel Mr Mueller dafür ausgegeben hat. Und es passt perfekt zu Ihnen. Es ist wie für Sie gemacht.«
Erin sah hinab auf die charakteristische Spannungsgeladenheit und Gewalttätigkeit, die das atemberaubende Design des Halsreifs kennzeichnete. Die beiden Drachen auf ewig in einem Kampf um Leben und Tod verharrend. Ihre Granataugen funkelten vor Zorn. Das Design gaukelte dem Auge des Betrachters vor, dass die sich windenden Schlangenschwänze angriffslustig in alle Richtungen peitschten. Der Halsreif vibrierte praktisch in ihren Händen.
Insgeheim hatte sie diese Art von Schmuck schon immer als den schönsten und faszinierendsten der Welt betrachtet. Sinnlich und wild zugleich beschworen die Muster das Blut, den Staub und das Schlachtengetöse antiker Geschichte herauf. Sie liebte keltische Artefakte deshalb so sehr, weil sie eine mit Händen greifbare Verbindung zu dieser geheimnisumwitterten Kultur herstellten. Sie schenkten ihr Träume und stachelten ihre Fantasie an. Sie sprachen mit ihr über die Jahrtausende hinweg.
Eine ranghohe keltische Adlige hatte diesen Halsreif vor mehr als zweitausend Jahren besessen. Mit diesem Schmuck war sie durchs Leben gegangen, war tagtäglich mit ihm aufgewacht, hatte ihn beim Essen, beim Atmen, beim Sex getragen. Wenn Erin diesen Halsreif anlegte, wäre es, als würde sie das Rad der Geschichte zurückdrehen. Sie könnte durch Zeit und Raum reisen und die Hand nach der Frau ausstrecken. Der Halsreif hatte sie real gemacht.
Die Versuchung war schrecklich groß. Erin war so sehr in Versuchung geführt, dass ihre Hände zitterten.
»Mr Mueller wollte Sie damit erfreuen und Ihnen schmeicheln, Erin«, bemerkte Tamara sanft. »Tun Sie ihm den Gefallen. Genießen Sie es. McCloud wird nie davon erfahren, es wird unser Geheimnis bleiben.«
Erin brach den Augenkontakt ab. Sie könnte schon wieder losheulen, Herrgott noch mal! Sie war wirklich ein nervliches Wrack. Tamara hatte recht. Allein schon der Gedanke an Connors Reaktion machte sie weinerlich und unsicher.
Diese kleine Entgleisung würde ihr Geheimnis bleiben. Und vielleicht würde es sich sogar als Befreiungsschlag entpuppen. Sie war eine selbstbestimmte Frau, die ihre eigenen Entscheidungen traf. Ihre Leidenschaft für antike Geschichte gehörte ihr allein. Sie hatte nichts mit Connor zu tun. Er würde es nie verstehen.
Aber Claude Mueller womöglich. »In Ordnung«, gab sie schließlich nach.
Und sie bereute es in derselben Sekunde. Noch während die Worte aus ihrem Mund schlüpften, wusste sie, dass sie einen schweren Fehler beging, aber es war zu spät. Tamara lächelte entzückt und führte sie an der Hand in ein anderes Schlafzimmer, dessen Bett mit Schachteln und Tüten bedeckt war.
»Ich werde Ihnen als Erstes die Dessous und die Schuhe zeigen«, verkündete Tamara.
»Die Dessous?«, echote Erin matt.
»Selbstverständlich.« Tamara verdrehte die Augen. »Es darf sich unter dem Kleid keine Unterwäsche abzeichnen. Und natürlich habe ich passende Seidenstrümpfe geordert.«
Eine halbe Stunde später legte Tamara Erin das kalte Gewicht des Halsreifs um, dann drehte sie sie zum Spiegel. »Schauen Sie sich nur an! Könnte Connor McCloud Sie jetzt sehen, er würde vor Ihnen auf die Knie fallen und um Gnade winseln.«
Ein qualvolles Gefühl der Reue durchzuckte sie. »Bitte, tun Sie das nicht.«
»Ärger im Paradies?« Tamara lachte, dann hob sie entschuldigend die Hand, als sie den Ausdruck in Erins Augen bemerkte. »Es tut mir leid. Verzeihen Sie, dass ich gefragt habe. Übermäßige Neugier ist eine meiner kleinen Schwächen. Hassen Sie mich nicht dafür. Es war nicht böse gemeint.«
»Sie kennen mich nicht gut genug, um so mit mir zu sprechen.«
»Nein, aber das würde ich gern.« Tamara zeigte ihr ein schiefes, entwaffnendes Lächeln. »Ich finde Sie sehr interessant, Erin
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