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In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn

In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn

Titel: In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
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Sie war gefährlich. Ihr Tanz war enigmatisch und verzichtete auf Antworten. Sie war auf der Bühne ein Vamp, eine Femme fatal. Madame Bathory. Die heimliche Bettfreundin von Camille Paglia. Aber auch ein wenig Mann. Wie eine Frau, die aus einem lebensgroßen Helmut-Newton-Plakat heruntersteigt. Sie wirkte so viel größer, als sie es in Wirklichkeit war.
    Ich stellte mir vor, sie anzusprechen. Doch sie sah nicht aus wie eine Frau, die es schätzte, wenn man sich den Weg in ihre Umkleidekabine erschlich und ihr dort vorbrabbelte, dass sie einen an die Bilder von Hajime Sorayama erinnerte. Ich trank deshalb noch einen White Russian, stellte verärgert fest, dass der Club, nachdem Aurea die Bühne wieder verließ, all seinen Reiz verloren hatte, und beschloss in die Wohnung zu fahren, um die Sache mit der Herbertstraße noch einmal zu überdenken.
    Ich versuchte ein Taxi herbeizuwinken. Von Altona war es zwar nicht weit zu mir, doch ich spürte die vier Drinks in meinen Blutbahnen und wollte mich lieber dem sanften Schaukeln eines Mercedes hingeben. Außerdem begann es sanft zu rieseln. Es war ein kühler Frühling 1999, und wenn es etwas gab, das man in Hamburg in Kauf nehmen musste, so war es dieses miese Faschowetter.
    Als ich die hintere Tür des Taxis öffnete und einsteigen wollte, merkte ich, dass zu meiner linken eine Frau den Straßenrand betrat und ebenfalls Ausschau nach einem Taxi hielt. Über der Schulter stemmte sie eine wuchtige Sporttasche. Ich wusste sofort, dass es Aurea war, obwohl sie nun ganz anders, fast knabenhaft, aussah. Doch ich erkannte sie an diesen verfilzten, halblangen Haaren, deren Strähnen zum Teil blau gefärbt waren.
    »Wo wollen Sie hin?« fragte ich sie.
    Sie musste nach Ottensen. Nicht gerade mein Weg, aber wer würde in einer solchen Situation kleinkariert auf Details achten?
    »Kommen Sie mit«, sagte ich zu ihr. Sie sah sich um, blickte zum nächtlichen Himmel. Die Wolken reflektierten matt den Glanz der Großstadt. Die Regentropfen landeten auf ihrer Stirn und ihren Wangen. Sie schaute wieder zu mir und nickte leicht.
    Im Taxi roch es nach Leder und Eukalyptus-Pastillen. Doch mit ihr kam ein neuer Duft herein.
    »Sun von Jil Sander«, sagte ich, möglichst lässig. Ich wusste es, weil ich mal aus Versehen ein Flakon mit Sun zerschlagen hatte. Das ist ein sehr guter Weg, um Düfte später unwiderruflich zu memorieren.
    Sie lächelte. Ich konnte es spüren, auch wenn ich nicht hinsah.
    »Evelyn.« Sie hielt mir ihre Hand hin.
    »Jan-Marek, aber Marek reicht«, gab ich zurück und wir schüttelten uns die Hand.
    Nun sah ich sie lange und genau an, mit einem faszinierten Lächeln auf den Lippen. Sie gefiel mir. Es war kein Verlieben. Es war mehr wie Theologie. Sie war nun vollkommen abgeschminkt und erinnerte an eine Sportlerin, die gerade vom Training kommt. Würde sie so aussehen, wenn sie morgens neben mir aufwachte? Ohne die Regentropfen natürlich. Mein Leben war wirklich ein seltsames Abenteuer geworden.
    Sie blickte wieder nach vorne, auf die verregnete Strasse, die in den Platz der Republik mündete. Ich wollte meine Augen nicht mehr abwenden.
    »Kann ich Sie irgendwo wiedersehen?«
    Sie sah erst mal auf ihre mit silbernem Lack bemalten, jedoch kurzgeschnittenen Fingernägel und dann auf das Taxameter.
    »Ich denke nicht... Es mag vielleicht nicht so anmuten, aber so ganz schnell muss ich es nicht haben...«
    Ich schluckte. Da war es, das mitschwingende Misstrauen. Ein weiterer Lüstling, der ihren Bühnenauftritt als eine Einladung zur Anmache begriff. Dann ging mir ein Licht auf.
    »Ich glaube... Das ist ein Missverständnis. Die Frage war nicht, ob ich Sie wiedersehen kann, sondern wo ich sie wieder — Pause — sehen kann. Ihr Auftritt hat mir gefallen...«
    Sie blickte mich an. Ihre Augen weiteten sich und lachten.
    »OK... Nächste Woche im Escándalo . Am Dienstag.«
    »Ist das nicht eine Galerie?«
    Sie nickte.
    »Ist anlässlich einer Ausstellung. Ich werde von einem Industrial-Künstler begleitet.«
    Wir schwiegen wieder. Der Wagen durchschnitt die regnerische Nacht, die sich hinter uns wie ein Vorhang wieder schloss. In der Keplerstraße waren wir am Ziel.
    »Wir sind da«, vermeldete der Taxifahrer. Der Motor wimmerte leise vor sich hin, und die Tropfen prasselten auf das Dach.
    »Und was gefiel dir so daran?«
    Ich hielt überrascht inne. Es schien mir eine Fangfrage zu sein. Im Grunde konnte ich sie nur falsch beantworten. Evelyn blickte mich durchdringend

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