Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn

In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn

Titel: In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
Vom Netzwerk:
ihr Körper ruhig. Sie atmete drei- oder viermal aus, den Kopf zur Seite gedreht und in die Finsternis blickend, als wäre der dunkle Raum um uns unendlich. Dann sah sie mich an. Ihr Gesichtsausdruck entspannte sich.
    »Und was ist mir dir? Mach doch endlich hin, Mann!« Sie brach in schallendes Gelächter aus, dem man sich nur schwer entziehen konnte.
    Die Welt musste aus dem Lot sein, die Apokalypse nahe. Denn wie sonst konnte es möglich sein, dass ein Spinner wie ich eine so coole Frau aufreißen konnte?
    »Nette Wohnung«, meinte sie später, während sie auf dem Bauch lag. Ihre Waden wippten in der Luft. Sie hatte Die himmlische Hierarchie von Dionysius Areopagita als Unterlage vor sich liegen und drehte darauf einen Joint. »Hast nur vergessen, sie einzurichten, oder?«
    »Ich kam noch nicht dazu. Außerdem fehlt mir das Geld dafür.«
    »Das Scheißgeld«, murmelte sie und sah mich mit einem schelmischen Grinsen an. »Reicht nie bis nach Japan, ha?«
    Meine Frauen sind mir stets haushoch überlegen.
    Der Joint war schön geworden. Gleichmäßig gedreht, perfekt konisch, mit einem sanft ansteigenden Radius. Und lang. Das einzige Phallussymbol auf diesem Psycho-Planeten, das nicht von einer Tradition aus Kriegsopfervergewaltigungen, Umwelt-GAUs und Territorialkriegen zeugte.
    »Den musst du verdienen...«, sagte sie und wedelte mir mit dem Dübel vor der Nase.
    Ich nahm an, sie wollte geleckt werden, oder dass ich ihr einen Drink mixen sollte. Doch es kam anders.
    » Spank mich.«
    Ich ließ im Kopf meine Datenbank aus weniger konventionellen Praktiken ablaufen. Der Anglizismus war mir durchaus geläufig. Es war ein Unterschied, ob man einen Menschen schlug oder spankte . Soviel wusste ich. Ich wusste auch, dass ich jetzt den edlen Macho raushängen lassen konnte, der mit so was seine Probleme hat, weil man ja bekanntlich Frauen nicht schlägt (nur später dann, die eigene Ehefrau natürlich oder die Töchter, aber das sind ja keine Frauen) — aber ich wollte den Augenblick nicht komplett ruinieren. Es stimmte schon — ihr knabenhafter Körper, mit diesen kindlichen Brüsten und dem doch sehr weiblichen Hintern, mutete wie eine perfekte SM-Bühne an. Ich wollte es ihr nicht zu leicht machen, und ich wollte nicht von gestern sein. Hey, das hier war Hamburg — Neger Kalles Stadt. Hier war man entweder drin im Club oder draußen. Es sollte kein lascher Hieb sein, für den sie mich verlacht.
    Mit einem lauten Klatschen landete meine Hand auf ihrer nackten Pobacke. Sie seufzte fast unhörbar auf. Ich beobachtete, wie sich schon bald die Abdrücke meiner Finger auf der blassen Haut abzeichneten.
    Evelyn richtete sich auf und küsste mich.
    »Netter Anfang. Aber das nächste Mal solltest du mit dem einen Arm so fest meine Hüften umschließen, dass ich mich nicht rühren kann und mit der freien Hand so lange schlagen, bis sie vollständig ermüdet.« Sie sah mir dabei zärtlich in die Augen, als würde sie sagen: Bitte, bitte — lass uns Urlaub auf Bora Bora machen.
    »Waschlappen«, fügte sie an und spuckte mir ins Gesicht.
    Ich fuhr mit der Zungenspitze über meine Unterlippe. Ihr Speichel schmeckte nach Nikotin und Weiblichkeit.
    Nun, ich hatte den Wink verstanden. Ich mochte stets Schwierigkeiten haben, mich in konventionellen Lebenslagen zurechtzufinden, doch ich hatte weit weniger Probleme damit, mich schnell neuen, unkonventionellen Situationen anzupassen. Und ich wollte heute noch kiffen.
    Von nun an wurde ich tiefer und tiefer in Evelyns Welt hineingezogen. Sie war wie eine Zwiebel, die immer neue Schichten aufwies, die man abpellen konnte, um zu sehen, was sich darunter verbarg.
    Unser nächstes Treffen fand in ihrer kleinen Wohnung in Ottensen statt. An den Wänden hingen Plakate alter Filmklassiker wie Metropolis oder Shanghai Express , lose vermengt mit Fetisch-Postern, und im Zentrum all dessen thronte die Mutter all dieser postmodernen Ikonenverehrung: David Bowie.
    »Ich war schon immer so«, erklärte sie mir, während sie die Füße auf den niedrigen Wohnzimmertisch legte. »Je mehr mir Gewalt verhasst wurde, desto aufregender fand ich es.« Sie stellte das Glas mit dem Gin Tonic beiseite und legte ein wuchtiges Fotoalbum auf ihre Oberschenkel. Das werden hoffentlich keine Urlaubsfotos sein, dachte ich instinktiv. Ich verabscheute Urlaubsfotos mehr als alles auf dieser Welt.
    Ich sollte nicht enttäuscht werden. Das Album war Seite um Seite gefüllt mit Polaroid-Fotos, die sich verdächtig

Weitere Kostenlose Bücher