In den Spiegeln - Teil 3 - Aion
Scheinwerfer draußen ließen subtiles Licht ins Innere der Kirche dringen. Ich hatte das Gefühl, mich in vollkommener Stille zu befinden. Schließlich spürte ich Schorms Hand an meinem Ellbogen. Er zog mich sanft hinter sich her, bis wir vor einer weiteren Tür standen. Es war eine einfache, schlichte Pforte, die er schon bald mit einem Schlüssel aus seinem Bund öffnete. Nun kramte er aus seiner schwarzen Tasche eine Lampe hervor und schaltete sie ein.
»Stoßen Sie nichts um. In dem Seitenraum zur Sakristei ist gerade eine Ausstellung über Domorgeln.«
Ich schob mich vorsichtig zwischen den Ausstellungstafeln hindurch. Wortlos passierten wir die Reihen der Kirchenbänke. In der Dämmerung brach sich das Licht an den streng geformten Pfeifen des Orgelprospekts.
An der Rückseite des Doms angekommen, reichte mir Schorm eine kleine Taschenlampe und begann leise klappernd seinen Schlüsselbund abzusuchen. Ich schaltete die Taschenlampe an und sah mich um. Jemand hatte eine Kirchenbank vor eine sehr alte, massive Tür gestellt. Ein mächtiger Klopfring hing daran und ein schweres Hängeschloss aus Stahl. Neben der Tür befand sich eine kleine Skulptur, die ich mir näher ansah. Die Beschreibung auf der Wandtafel erklärte mir, dass es sich um einen Weihealter von 200 n. Chr. handelte, mit der Darstellung des römischen Neptuns.
Inzwischen hatte Schorm die Tür geöffnet. Erstaunlich gut geölt, ging sie ohne Quietschen oder Ächzen auf. Wir betraten den engen Korridor und Schorm verschloss die Tür hinter uns. Nach wenigen Metern bog der Gang nach links und führte zu einer Treppe nach unten.
»Vorsicht«, warnte er. »Die Treppe ist steil. Normalerweise haben hier nur Historiker und Archäologen Zugang.«
Es war eine grobe, unbequeme Wendeltreppe. Eine von der Art, die einen bis nach unten rollen ließ, machte man den Fehler, hier auszurutschen. Während wir nacheinander heruntergingen, wunderte ich mich darüber, mit welcher Selbstsicherheit der so zerstreut wirkende Professor hinab marschierte. Auch in ihm steckte offensichtlich mehr, als das Auge sah. Ich ließ während des Abstiegs meine Hände über die rauen Wände gleiten, um dadurch mehr
Balance zu finden. Mein abgewrackter Körper war langsam von all der Aufregung überfordert, und ich hätte mich am liebsten irgendwo in die Ecke gesetzt und einen Weinbrand in mich rein gekippt. Ich hasste in diesem Augenblick den Alkohol und tat mich schwer damit, diese Lektion zu begreifen. Zumindest war ich froh, dass Schorm nicht mehr auf mich einredete und ich ihm versunken hinterher taumeln konnte.
Wir erreichten eine recht kleine Zelle, die mehr einer Höhle ähnelte als einem von Menschenhand geschaffenen Raum. Schorms Taschenlampe tänzelte an den grauen Wänden.
»Die Saliergräber«, erklärte er. »Doch wir wollen noch tiefer...«
Er hielt plötzlich kurz inne.
»Haben Sie auch etwas gehört?«
»Nein«, erwiderte ich und drückte langsam seine Taschenlampe aus meinem Gesicht.
»Haben Sie nicht Angst, dass Archäologen zufällig Ihr Geheimnis entdecken?«
»Diese Angst wäre unbegründet«, erwiderte er. »Sie werden sehen.«
Wir bewegten uns weiter durch einen inzwischen recht engen Tunnel. Meine Ellbogen und Schultern schleiften an dem Gemäuer um mich und ich stellte mir die seriöse Frage, was wohl passierte, wenn Schorms Taschenlampe aus derselben Generation stammte wie sein Borgward Isabella und plötzlich inmitten dieses Kamins den Geist aufgab.
Wir kamen ans Ende des Gangs und erreichten eine kleine Gruft, in deren Mitte sich der Wächter hinkniete. Er studierte eine Weile den Boden und schien den Staub weg zu pusten. Ich reckte meinen Hals und versuchte herauszufinden, was er da eigentlich machte. Da packte er bereits einen kleinen Keil aus seiner Tasche, trieb ihn zwischen zwei Platten und offenbarte nach wenigen Augenblicken ein schwarzes Loch im Boden.
»Ich hasse das«, sagte ich nur und sank neben ihm auf die Knie.
Die Leiter war aus altem Holz und gab Geräusche von sich, deren Natur nicht dazu beitrug, mein Vertrauen in den Ausgang dieser mysteriösen Expedition zu stärken. Als wir unten ankamen, war es schon außerordentlich eng. Die Luft schmeckte alt, kalt und staubig, und die Decke war so niedrig, dass ich mich nur vorgebeugt bewegen konnte. Ich rutschte erst mal in die Hocke.
»Ich kann nicht mehr«, keuchte ich. »Sie müssen verstehen... Dieser Körper, den ich hier bekam.«
»Rasten tut man im Jenseits«, meinte
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