In den Trümmern des Himmelsystems
glättete seine Züge, und während er sie ansah, verflog sein sinnloser Zorn.
Ihre Hand glitt zögernd vom Tisch und berührte das Lederband an seinem Handgelenk. Er griff nach ihrer Hand, ihre Finger umklammerten einander, braun und bleich. Sie sah erst ihn ernst an, dann ihre Hände. Schließlich entzog sie ihm ihre Hand wieder und sagte leise, wie zu sich selbst: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie heute noch unglücklich und unzufrieden.“
Flagschiff Einheit (Im Raum Lansing)
+ 3,00 Megasekunden
Eine Plünderung.
Während er, Raul Nakamore, das Phantomschiff von
Außerhalb
verfolgt hatte, hatte es buchstäblich einen Kreis um ihn geflogen und die Destille geplündert, die seine Flotte hatte beschützen sollen. Während er immer noch vergeblich hier bei Lansing festsaß und nicht mehr genug Treibstoff hatte, auch nur einem Witz nachzujagen. Raul trommelte zornig mit den Fingern auf der Lehne seines Sessels, da er seiner Frustration auf keine andere Weise Ausdruck verleihen konnte.
Doch die Meldungen, die er empfangen hatte, deuteten darauf hin, daß das Sternenschiff das System nicht direkt verlassen hatte, sondern seinem eigenen Kurs folgte und nochmals nach Lansing zurückkehrte. Raul betrachtete das Instrumentenpult. Siebenundzwanzig-tausend Kilosekunden waren verstrichen, bis zur Ankunft bei Lansing blieben somit noch dreiundzwanzig Kilosekunden. Wie in der Fabel vom Hasen und der Schildkröte – verlangsamt durch die Last des gestohlenen Wasserstoffs, konnte das Sternenschiff niemals vor ihm in Lansing sein, wenn Lansing tatsächlich sein Ziel war. Aber warum sollte es? Warum sollten diese Außenweltler für Lansing Pirat spielen, wo sie bereits in den Ringen schwere Verluste erlitten hatten? Rache? Aber sie hätten die Destille mit Leichtigkeit zerstören können: statt dessen stahlen sie nur tausend Tonnen Wasserstoff – zu wenig, um die Große Harmonie entscheidend zu schwächen, aber auch zuviel für ein schnelles Entkommen.
Und derjenige, der ihnen beim Diebstahl geholfen hatte, war Wadie Ahdhiamal… Wadie Abdhiamal vom Demarchy. Vom Demarchy zum Gesetzlosen erklärt, wie Djem gesagt hatte, von seinem Volk zum Verräter gestempelt, da er dem Sternenschiff das Entkommen ermöglicht hatte. Und wenn es eine Tatsache gab, deren er, Raul, ganz sicher war, dann war es die, daß Abdhiamal mit Sicherheit kein Verräter war. Aber warum hatte er dann die Zukunft seines Volkes verraten? Er war vielleicht nicht der Vernünftigste, aber verrückt war er auch nicht. Warum bedrohte er Schnee-der-Errettung, wo er doch besser als jeder andere Demarchos wissen mußte, daß das auch das Ende seines eigenen Volkes bedeuten konnte? Warum verriet er seine Freunde? Denn sie waren seine Freunde gewesen, und indem er sie verriet, hatte er sich selbst die einzige mögliche Zuflucht im Himmel-System vernichtet, die ihn aufgenommen hätte.
Vielleicht war er dazu gezwungen worden. Aber Djem hatte gesagt, Abdhiamal habe nicht wie ein Mann gehandelt, der unter Zwang steht… Raul wußte, Djem würde Abdhiamal nie verzeihen – wenn nicht aus anderen Gründen, so nur wegen des Verrats ihrer Freundschaft. War es das Schiff oder seine Besatzung, die einen Mann wie Abdhiamal dazu bringen konnte, alles aufzugeben? Vielleicht würde er es nie erfahren. Aber das Schiff folgte ihnen nach Lansing…
Raul streckte sich und sah Sandoval an. Sandovals hakennasiges Profil zeigte eine Maske kompromißloser Langeweile, während er ein Romanband las. Ein guter Offizier, dachte Raul. Wenn er diesen Einsatz seines Schiffes für nutz- und sinnlos hielt, ließ er es sich nicht anmerken. Raul behielt seine eigenen Zweifel und Spekulationen für sich. Dreiundzwanzig Kilosekunden nach Lansing. Und vielleicht würden sie doch nicht enttäuscht werden…
Der Anblick von Diskus, bis fast zur Unkenntlichkeit zusammengeschrumpft, begrüßte Raul, als er sich von der Luftschleuse abstieß und zur felsigen Oberfläche des Landefelds von Lansing hinabschwebte. Er erinnerte sich daran, einmal zum Himmel des Demarchy aufgeblickt zu haben, wo Diskus nur ein winziges, helles Pünktchen gewesen war, ein Stern unter vielen und auch so unerreichbar wie die Sterne. Er erinnerte sich an das Gefühl von Isolation und Einsamkeit, das ihn damals erfüllt hatte. Dieses Mal, zwar unsichtbar, aber immerhin doch in nächster Nähe, hatten sie ein Schiff im Orbit um Lansing, das für ihre Sicherheit garantierte. Er bewegte sich vorsichtig, während er
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