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In den Trümmern des Himmelsystems

Titel: In den Trümmern des Himmelsystems Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Abgeordnetenhaus erwarten mochte.
    Was er auch erwartet hatte, es konnte ihn nicht auf das vorbereiten, was er dann zu sehen bekam. Jemand hatte die Nachricht von ihrer Ankunft überbracht: Sieben Gestalten standen wartend in dem Zimmer mit den groben Wänden, das er instinktiv als Lagerhalle und nicht als Versammlungszentrum erkannte. Die fünf Männer und zwei Frauen wirkten in ihrer Staatstracht wie glitzernde Juwelen auf einem kahlen Felsuntergrund. Ein Mann nestelte immer noch an den Falten seiner Ärmel herum, wie Raul bemerkte. Der Mann, der ihnen am nächsten stand, trat nach vorn, sein Gang war würdevoll, sein Gesicht ein Ausdruck erhabener Gewichtigkeit. Raul betrachtete die kostbaren Brokatgewänder: Die Fasern absorbierten das Licht, brachen es und warfen es schillernd wieder zurück. Trotzdem konnte er dazwischen immer wieder Flickstellen sehen. Das Gewebe war alt und vom Zahn der Zeit angenagt. Der Mann trug eine turbanähnliche Kopfbedeckung aus demselben Material; wo sein Gesicht und seine Hände sauber waren, hoben sie sich dunkel gegen den hellen Stoff ab.
    Raul wartete stumm, bis der Abgeordnete ihn erreicht hatte. Die anderen Ratsmitglieder versammelten sich hinter ihm; sie alle waren ähnlich gekleidet. Ihr Blick ruhte mehr auf Rauls Waffe als auf seinem Gesicht. Schließlich hob der Mann den Kopf und suchte hinter dem Helmvisier nach Rauls Blick. „Ich bin Silver Tyr“ – die Stimme überraschte ihn mit ihrer kalten Arroganz – „Präsident des Lansingschen Abgeordnetenhauses, Premierminister von Himmels Gürtel…“ Der Mann verstummte, als Gelächter in Rauls Helm rasselte, es dauerte lange Sekunden, bis er erkannte, daß es nicht sein eigenes, unterdrücktes Lachen war, sondern das eines der anderen Besatzungsmitglieder. Er hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen, und einen Augenblick lang hörte er noch den blechernen Nachhall in dem Zimmer.
    „Und Sie sind…?“ Der Premierminister sprach die Worte mit gekränkter Eitelkeit aus – er verlangte nicht für den Schattenregenten Respekt, der in seinen Lumpen vor ihnen stand, sondern für den verlorenen Traum, in dem sie alle vor ihrem Sündenfall gelebt hatten.
    „Raul Nakamore. Hand der Harmonie.“ Und fast unbewußt streckte er eine Hand aus, durch den Handschuh vor Schmutz geschützt, aber bereit zur Freundschaft. „Wir wollen Ihrem Volk nichts Böses tun. Wir wollen Ihre Zusammenarbeit, solange wir hier sind.“
    Der Premierminister streckte ebenfalls die Hand aus, mit der zögernden Geste eines Mannes, der erwartet, sie beiseite geschlagen zu bekommen. „Und weswegen sind Sie hier, Sir?“
    Raul schüttelte die Hand, ließ sie aber wieder los, bevor er antwortete. „Wir jagen Piraten, Euer Exzellenz.“ Diesen ungebräuchlichen Titel hatte er noch von halb vergessenen Geschichtslektionen behalten. Auf mehr als einem Gesicht erkannte er plötzlich schuldbewußte Mienen.
    Als er seinen Blick bemerkte, sagte der Premierminister: „Aber das war vor fast einer vollen Gigasekunde, Hand Nakamore – zudem war es ein Akt der Notwendigkeit, wie Sie sicher wissen. Gewiß sind Sie doch nach der langen Zeit nicht den ganzen Weg gekommen, nur um zu bestrafen…“
    „Ich spreche nicht von Ihrem letzten Angriff auf die Ringe, Euer Exzellenz – ich glaube, das wissen Sie. Ich spreche von dem Sternenschiff von außerhalb des Himmel-Systems, das eines unserer Schiffe vernichtet und unsere Hauptdestille ausgeplündert hat – und das auf seinem Flug aus unserem System hinaus bei Lansing vorbeikommen wird…“
    „Sir…“ Raul hörte die Stimme Sandovals und wandte sich um, als noch weitere Männer den Saal betraten.
    Sandoval und seine beiden Männer kamen zu ihm. Sie eskortierten eine zornige, magere Frau, braune Haut, braune Augen, braunes Haar, das an den Wurzeln bereits weiß wurde. Raul starrte sie an, so wie sie ihn anstarrte. Als ihr Blick über die herausgeputzten Gestalten der Ratsmitglieder glitt, flammte lautloser Zorn wie ein Feuer hinter ihren Augen auf. Ihr Blick wandte sich wieder ihm zu, und der Zorn kühlte etwas ab. Er dachte an einen Brand, der zwar einstweilen unter Kontrolle war, aber immer noch schwelte.
    „Sir, diese Frau fanden wir im Funkraum. Sie behauptet, ihr Kom sei nicht mehr in Ordnung.“
    Nickend wandte er sich wieder dem Premierminister zu, als dieser sagte: „Wir wissen nichts von einem Sternenschiff. Sie haben alle Schiffe gesehen, die wir haben. Mit ihnen können wir nicht einmal mehr Diskus

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