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In den W?ldern tiefer Nacht

In den W?ldern tiefer Nacht

Titel: In den W?ldern tiefer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Atwater-Rhodes
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beobachtete. Ich wußte nicht, was er tun würde, aber ich wußte, daß er sich nicht einfach töten lassen würde. Und doch stand er da, schweigend, bewegungslos und mit einem leicht spöttischen Gesichtsausdruck und tat nichts.
      »Also, Risika?« hakte er nach. »Du hast gesagt, daß du es tun würdest. Du hast das Messer. Ich stehe unbewaffnet vor dir. Töte mich!«
      Wenn ich ihn doch nur damals getötet hätte... Wenn ich doch nur fähig gewesen wäre, ihn zu töten...
      »Du kannst es nicht«, sagte er schließlich, als ich mich nicht rührte. »Du kannst mich nicht töten, wenn ich wehrlos bin, weil du noch immer wie ein Mensch denkst. Das mußt du noch lernen – so funktioniert die Welt nicht.«
      Er packte mein Handgelenk mit einer Hand und meine Kehle mit der anderen. Das Messer war nutzlos.
      »Ather redet von dir, als wärest du stark. Aber du bist genauso schwach wie dein Bruder.«
      Ich habe nie gekämpft. Ich war auch nie gewalttätig. Aber in der Natur geht es ums Überleben, und der Körper besinnt sich auf seine tiefverborgenen Wurzeln. Entweder man paßt sich an, oder man ist so gut wie tot. Ich paßte mich an.
      Ich befreite mein Handgelenk aus Aubreys Griff und stieß seine Hand weg. Das Messer fiel auf den Boden, von uns beiden unbeachtet. Mein Handgelenk war gebrochen, aber ich spürte den Schmerz kaum – Vampire sind nicht schmerzempfindlich, und die Verletzung heilte schnell.
      Ich fühlte ein Brennen und sah deshalb Aubreys nächsten Angriff nicht. Er sprang mich an und stieß mich zu Boden. Ich trat mit aller Kraft nach seiner Kniescheibe, und sie brach. Er zischte vor Wut und Schmerz und stürzte neben mich. Ich stemmte mich langsam hoch, aber der Schmerz schoß durch meine Arme und meinen Rücken.
      Wenn Vampire kämpfen, sieht es vielleicht so aus, als würden sie dies mit ihren Körpern tun. Aber wenn sie so stark wie meine Blutlinie sind, wird der größte Schaden im Geist angerichtet. Ein Vampir kann mit seinen Gedanken schlagen und so einen Menschen töten, ohne ihn auch nur zu berühren. Es ist schwieriger, einen anderen Vampir zu töten, aber die Kämpfer können sich ablenken und gegenseitig behindern. Ich war noch sehr jung und wußte nicht, wie man richtig kämpft. Ich lag auf der Erde und konnte mich vor Schmerzen nicht mehr aufrichten.
      Aubrey war in Sekunden über mir. Er legte eine Hand auf meine Kehle und preßte meinen Rücken auf den Boden. Sogar verletzt war er viel stärker als ich.
      Er hatte sich das Messer geholt und hielt es gegen meinen Hals.
      »Vergiß meine Worte nicht, Risika – ich empfinde keine Liebe für dich. Ich halte dich für schwach, und ich kann mit deinen Moralvorstellungen nichts anfangen. Wenn du mich noch einmal angreifst, wirst du verlieren.«
      Ich spuckte ihm ins Gesicht. Er zog das Messer über meine linke Schulter, von der Mitte meines Halses über die Vertiefung zwischen den Schlüsselbeinen bis zu meinem linken Oberarm. Ich keuchte. Es brannte wie Feuer und tat mehr weh als alles, was ich je gefühlt hatte.
      Die meisten von Menschenhand gefertigten Klingen können uns nicht verletzen, aber Aubreys Messer war kein solches. Magie – in Ermangelung eines besseres Wortes – war tief in das Silber eingebettet. Ich erfuhr später, daß Aubrey das Messer in seinem dritten Jahr als Vampir einem Vampirjäger weggenommen hatte.
      Der ursprünglicher Besitzer war zum Vampirjäger ausgebildet worden, aber er hatte trotzdem gegen Aubrey verloren.
      Aubrey verschwand, während ich noch immer auf dem Boden lag und darauf wartete, daß der Schmerz nachließ. Wäre das Messer von einem Menschen gewesen, wäre die Wunde in Sekunden geheilt, aber so dauerte es eine ganze Weile, bis mein Körper den Schmerz kontrollieren konnte.
      Nachdem der Schmerz von rasend zu schlicht unerträglich abgeklungen war, setzte ich mich langsam auf und fuhr vorsichtig mit einem Finger die Schnittwunde nach. Es hatte bereits aufgehört zu bluten, aber die Wunde schloß sich erst vollständig, als ich wieder getrunken hatte. Und sie hinterließ eine dicke Narbe. Meine Haut war bereits so fahl, daß nur eine blasse, perlenfarbene Linie zurückblieb, aber ich wußte, wo sie war, und ich konnte sie gut sehen.
      Irgendwie, wenn ich auch nicht genau wußte, wie, und irgendwann, wenn ich auch den Tag nicht kannte, würde ich diese Narbe und alles, für das sie steht, rächen: Alexanders Tod, den Tod meines Glaubens an die Menschheit und den

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