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In den W?ldern tiefer Nacht

In den W?ldern tiefer Nacht

Titel: In den W?ldern tiefer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Atwater-Rhodes
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wirst.«
      »Ich werde mehr als nur diese Narbe rächen, Jager.«
      »Wann denn?« drängt er mich. »Willst du warten, bis er die Trommel schlägt, oder willst du sie selbst schlagen?«
      »Ich töte lieber schweigend.«
      Jager sieht mich an und lächelt. »Eine glückliche Jagd, Risika.« Einen Augenblick später ist er verschwunden.
      Ich lege mich auf die Theke, denke über seine Worte nach, und dann bin auch ich verschwunden. Wir sind Phantome der Nacht, wir kommen und gehen in der dunklen Stadt wie Schatten im Kerzenlicht.
      Ich kehre in unbekümmerter Stimmung in mein Haus zurück und vergesse für den Moment die Vielschichtigkeit von Rache. Ich blicke aus dem Fenster und beobachte die wenigen, die ebenfalls mit der aufgehenden Sonne ins Bett gehen.
      Einer von Concords anderen Schatten betritt sein Haus – ein Hexer, allerdings hatte er seine Gabe nur geerbt und nicht erlernt. Er stellt keine Bedrohung für mich dar.
      Außerdem sehe ich Jessica, Concords junge Schriftstellerin, die aus ihrem Fenster schaut. Jessica schreibt über Vampire, und ihre Bücher sind wahr, wenn auch niemand ahnt, woher sie weiß, was sie schreibt. Ich überlege, ob ich ihr meine Geschichte erzählen soll – vielleicht könnte sie sie für mich aufschreiben. Vielleicht schreibt sie auch gerade an meiner Geschichte.
      Ich gehe nach oben und falle in einen tiefen Vampirschlaf.
      Meine Träume sind meine Erinnerungen an die Vergangenheit. Ich träume von den Jahren der Unschuld, als ich mein Dasein als Vampir noch bekämpfte.
     
 
     

15
 
     
    1704
     
     
 
      Ich kehrte drei Jahre lang nicht nach Hause zurück, und als ich es schließlich tat, konnte mich niemand sehen.
      Es war fast Mitternacht, als ich in Concord anhielt, und das war beabsichtigt. Ich wollte keinem Menschen begegnen.
      Natürlich wollte ich nicht erkannt werden, aber vor allem war ich mir nicht sicher, ob ich mich unter Kontrolle hätte. Ich hatte das letzte Mal vor zwei Nächten getrunken, von einem Dieb, der das Pech hatte, mich anzugreifen, als ich durch die dunklen Straßen zog. Ich hatte schrecklichen Durst.
      Obwohl ich mich mit dem Gedanken tröstete, daß ich nur diejenigen tötete, die es verdienten, hallten Aubreys Worte immer in meinen Gedanken wider: ›Bist du jetzt Gott, Risika, und entscheidest, wer lebt und wer stirbt?‹ Diebe und Mörder hielten mich aufrecht, allerdings nur gerade eben. Ich tötete nur so oft, wie es gerade nötig war, um zu überleben, und ich war ständig hungrig. Ich hockte vor dem Haus, in dem ich einst gelebt hatte, auf dem Rand des Brunnens und beobachtete es wie ein Geist, der zwar sehen und hören, aber nichts anderes tun konnte.
      Würde mein Vater mich erkennen, wenn er mich sehen könnte? Die drei Jahre hatten mich ziemlich verändert. Meine helle Haut war jetzt schneeweiß, und mein goldenes Haar, das seit einiger Zeit keinen Kamm mehr gesehen hatte, war verfilzt. Ich trug Männerkleidung, weil ich mit den langen Kleidern die Geduld verloren hatte, als ich die Wälder, Berge und Flüsse des Landes erkundete.
      Ich hätte natürlich zur Türe gehen und meinen Vater fragen können, ob er wüßte, wer ich sei, aber das wollte ich nicht. Es würde ihn nur noch mehr verletzen, wenn ich wieder gehen müßte. Ich würde ihm besser nicht sagen, was aus mir geworden war.
      Lynette schlief in ihrem Zimmer, aber mein Vater war wach, und er weinte. Er sah aus dem Fenster, und obwohl ich wußte, daß er in meine Richtung blickte, konnte er mich nicht sehen. Ich hatte gelernt, meine Gestalt vor sterblichen Augen zu verbergen.
      Die Tränen auf seinem Gesicht stachen mir wie Dolche ins Herz. Ich hatte eine lebendige Vision von Ather und Aubrey, wie sie tot auf dem Boden lagen und ich über ihnen stand. Würde jemand um sie weinen, wenn sie tot wären? Ich glaubte nicht, aber ich würde nie herausfinden, ob ich recht hatte. Aubrey hatte mir ohne jeden Zweifel bewiesen, daß ich nicht diejenige sein würde, die ihm den Tod brächte.
      Eine Frau kam hinter meinem Vater die Treppe herunter. Ihre dunklen Haare waren zurückgebunden, und ich konnte sogar aus der Entfernung sehen, daß ihre Augen schokoladenbraun waren. Ihre Haut war nicht so hell wie die meiner Mutter. Als sie ihre Hand auf die Schulter meines Vaters legte, konnte ich sehen, daß sie nicht die anmutigen Künstlerhände hatte, die mein Vater oft beschrieben hatte, wenn er über meine Mutter sprach.
      »Peter, es ist spät. Du

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