In der Brandung
verlangsamte sein Tempo, als er Roberto sah. Sie tauschten einen schnellen Blick. Dann drehte der Junge sich um und ging fort.
Gleich darauf kam Ginevra heraus, und alles lief genau so ab wie am Vortag. Autobus, Haltestelle, Fußweg, Hauseingang.
Roberto wartete vor dem Haus und kam sich langsam dumm vor. Was zum Teufel tat er da? Was war das für eine lächerliche Privatermittlung – er als Hobbydetektiv mit Umhängetasche? Er ging fort, weil er plötzlich Angst bekam, dass ihn jemand sehen und nach den Gründen für sein Herumlungern fragen könnte.
Als er nach Hause kam, sagte er sich, dass er noch einen letzten Versuch machen würde. Wenn der auch nichts ergab, würde er seinen Kollegen von der Sache berichten und es ihnen überlassen, ob sie sich damit abgeben wollten. Falls es da überhaupt etwas gab, womit man sich abgeben konnte.
* * *
Am nächsten Tag kam er ein wenig zu spät, gerade noch rechtzeitig, um das Mädchen abzupassen, das schnell in Richtung Bushaltestelle ging. Roberto wusste jetzt schon, wohin sie fuhr, und konnte mehr Abstand halten. Dadurch hatte er einen besseren Überblick und konnte auch vermeiden – dachte er –, dass jemand auf ihn aufmerksam wurde: einen nicht besonders vertrauenswürdig aussehenden Mann mittleren Alters, der ein Schulmädchen verfolgte.
Der Strom von Schülern und Erwachsenen war derselbe wie an den anderen Tagen. Aber Roberto hatte das Gefühl, in der üblichen Bewegung der Menge ein Stocken zu erkennen, ein störendes Element.
Der Instinkt eines Bullen sucht immer nach dem einen falschen Ton. Und sieht all das, was die anderen übersehen: das Fehlen oder die veränderte Position kleiner Gegenstände, eine nicht ganz beherrschte Haltung, eine zwanghafte Bewegung, ein leichtes Keuchen, ein Erröten, ein ausweichender oder allzu starrer Blick. Da ist einer an einem Ort, an dem er nicht sein sollte; einer geht langsam, wo er schnell gehen sollte, und ein anderer geht zu schnell, wo er langsam gehen sollte; wieder ein anderer spricht entweder zu viel oder verstummt. Geringfügige Veränderungen. Ein guter Bulle konzentriert sich auf ungewöhnliche Details, anstatt sich von der scheinbaren Normalität des Gesamtbildes blenden zu lassen.
Darin gleicht ein guter Polizist einem guten Arzt. In beiden Fällen braucht es ein gutes Auge für jene Details, die für die anderen unsichtbar sind.
Im Strom der Passanten – Erwachsene, aber auch sehr viele Schüler – nahm Roberto ein Element wahr, das nicht ganz in den Ablauf passte und das er als störend empfand, ohne zunächst sagen zu können, was es war.
Die Ursache für diese Störung war ein etwa fünfzehnjähriger, für sein Alter sehr muskulöser Junge, der rasch ging und den Blick nach vorn gerichtet hielt.
Er läuft, als würde er jemanden verfolgen, dachte Roberto und spürte, wie sein Herz plötzlich schneller schlug. Sein Jagdinstinkt war zurück, so stark wie früher und ganz archaisch.
Sie kamen zur Haltestelle, als der Bus, den das Mädchen an den vorhergehenden Tagen genommen hatte, gerade losfuhr. Sie versuchte, ihn noch erreichen, aber sie kam zu spät. Daraufhin stellte sie sich etwas abseits in einen Hauseingang. Roberto blieb auf Distanz. Er hatte den muskulösen Jungen aus den Augen verloren, aber jetzt entdeckte er, dass auch er zur Haltestelle ging und sich umsah. Dann schob sich eine Gruppe Afrikaner dazwischen und nahm ihm die Sicht. Er näherte sich, und als er nur noch zehn Meter entfernt war, stellte er fest, dass der Junge jetzt neben Ginevra stand. Ein paar Schritte weiter stand noch ein Junge, der älter aussah, aber weniger kräftig und gefährlich als der erste. Anführer und Gefolge. Dieses Schema galt immer, das Alter spielte dabei kaum eine Rolle.
Der Muskulöse sagte etwas, und das Mädchen schüttelte ganz schwach den Kopf, wie resigniert. Der Zweite zeigte dann auf etwas, von dem Ginevra den Blick abwandte, doch der Junge nahm ihr Kinn zwischen die Finger und zwang sie hinzusehen. In dem Moment kam der Bus. Das Mädchen machte noch einen Versuch einzusteigen, doch der Junge versperrte ihr den Weg.
Der zweite Junge überwachte die Szene. Als er sich zu ihm umdrehte, tat Roberto so, als betrachte er ein Schaufenster, zählte bis fünf und drehte sich dann um. Die drei waren losgegangen, der Anführer neben Ginevra, der andere ein paar Schritte hinter ihnen.
Roberto setzte sich ebenfalls in Bewegung und versuchte, einen Sicherheitsabstand einzuhalten. Der Muskulöse
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