In der Fremdenlegion (German Edition)
bedacht, meine Pflicht voll und ganz zu tun, wahrscheinlich aus dem Rest eines einst stark entwickelten Selbstbewußtseins heraus. Die eigentliche Soldatenarbeit machte mir Freude, und ich sehnte mich in gleicher phantastischer Ungeduld nach blutigem Legionsdienst vor dem Feind wie alle anderen Legionäre, die täglich über die Chancen eines Marschbefehls debattierten.
Die Legion schien mir stets in fiebernder Ungeduld auf dem Sprung zum Ausmarsch zu sein – der feurige Soldatengeist einer langen Tradition steckte selbst den jüngsten Rekruten an und stellte vielleicht den einzigen edlen Kern einer Truppe dar, an der sonst ganz gewiß nichts Edles ist. Wenn vage Gerüchte über einen neuen Araberaufruhr an der Marokkogrenze in die Kaserne drangen, oder wenn das » Echo d'Oran « in der lakonischen Kürze eines offiziellen Telegramms von den kleinen Scharmützeln in Indochina berichtete, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer in den Mannschaftszimmern. Ueberall bildeten sich Gruppen von Legionären, die nur von ihrer Hoffnung sprachen, daß Alarm geblasen würde. Manchmal standen sie in Scharen vor der Regimentskanzlei, wenn irgendein aufregendes Gerücht verbreitet worden war, und warteten darauf, daß einer der Schreiber des Bureaus die Treppe herabstürme mit der Nachricht:
» Faites le sac! «
Packt euren Tornister! Das ist der alte ominöse Sturmruf, der von Mannschaftszimmer zu Mannschaftszimmer gellt, wenn die Legion mobil macht, das trockene, geschäftsmäßige Kennwort, das die Legion zu ihrem Kriegshandwerk ruft.
Das Abenteurerfieber, das ein ebenso unzertrennlicher Bestandteil des Legionslebens ist wie Armut und Entbehrungen und harte Arbeit, lag stets in der Luft.
Die gellenden Töne des Alarms hörte ich zum erstenmal in tiefer Nacht. Ich fuhr erschreckt aus dem Schlafe auf. Aux armes ! schrillte die Trompete vom Kasernenhof. Die Sergeanten und Korporale stürmten durch die Zimmer und schrien den Weckruf durch die Kaserne » aux armes «! – zu den Waffen!
Mit einemmal wurde aus der Stille der Nacht eine wahre Hölle – Jauchzen und Gellen und Brüllen schallte von Zimmer zu Zimmer, die Kaserne war in Aufruhr.
» Faites Ie sac! En tenue de campagne d' Afrique ,« schrien die Unteroffiziere, und neuer Jubel antwortete ihnen.
Die »afrikanische Feldausrüstung« war gar keine so einfache Sache, und bei allem Lärmen und Schreien wurde fieberhaft gearbeitet, denn in zehn Minuten mußte man feldmarschmäßig unten auf dem Kasernenhof antreten. Unter Singen und Pfeifen wurden die Tornister gepackt, während die einen schrien, es gehe » au Maroc «, und die anderen behaupteten, in Saïda seien die arabischen Stämme in hellem Aufruhr. Da wurden die Patronenkisten vom Regimentsmagazin gebracht. Mit einem Sappeurbeil wurden die Holzdeckel entzwei geschlagen, und von Mann zu Mann flogen die Patronenpakete. Wir rissen die Pappenumhüllung auf und sahen, daß es Platzpatronen waren!
» Merde !« schrie Korporal Wassermann.
Lärmen und Singen hörten wie durch ein Wunder auf. Da nur Platzpatronen verteilt wurden, konnte es sich nur um einen kleinen Manövermarsch handeln, und sich für einen » marche militaire « zu begeistern, fiel einem Legionär nicht im Traum ein. In diesem Fall erstreckte sich der kleine Manövermarsch allerdings über 300 Kilometer – 300 Kilometer hin, 300 Kilometer her; eine Gesamtdistanz von 600 Kilometern, ein kleiner Marsch von der Länge Preußens ...
Bei Laternenschein formierten sich die Kompagnien auf dem Kasernenhof. Im Handumdrehen waren die Bagage- und Munitionskarren gepackt, denn scharfe Munition führt die Legion immer mit sich, um auf alle Fälle gerüstet zu sein. Dann ging es unter den Klängen des Legionsmarsches in die Nacht hinaus.
Wer den Marsch der Fremdenlegion ein einzigesmal gehört hat, wird ihn nie wieder vergessen, seinen merkwürdigen scharfen Rhythmus, der immer wieder vom Sturmsignal der Trompeten unterbrochen wird, und den die Kapelle niemals in der Garnison oder auf einer Parade spielen darf, sondern nur auf dem Marsch oder vor dem Feind.
In Sidi-bel-Abbès wurde es mit einemmal lebendig, als die Musikklänge durch die stillen Straßen hallten: Fenster wurden aufgerissen, und aus den Straßenwinkeln kroch der Riff-Raff der schlafenden Stadt hervor: verkommene Weiße und schmutzige Neger, die aus schläfrigen Augen verwundert die marschierende Kolonne anstarrten. In wenigen Minuten waren wir aus der Stadt hinaus und marschierten auf
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