In der Fremdenlegion (German Edition)
dessen wenige Goldstücke die Eisenbahnfahrt verschlungen hat, und der die Passage übers Meer nicht mehr bezahlen kann, muß sich fast verloren geben. Seine Verhaftung ist meist nur eine Frage von Tagen. Ein unvorsichtiges Wort in einer Weinkneipe, verlegene Ausflüchte, wenn er sich Arbeit suchen will und keine Legitimationspapiere vorweisen kann, das Denunziantentum schließlich, das in Algerien in so wundervoller Blüte steht, liefern ihn bald den Gendarmen in die Hände.
Und selbst wenn das Geld reicht, wenn die Passage auf einer der Mittelmeerlinien bezahlt ist und das Passagierbillett schon in seiner Tasche steckt, ist er noch nicht geborgen. Die meisten Flüchtlinge, denen es gelungen ist, die Stadt Algier zu erreichen, machen den Fehler, auf einer der deutschen oder englischen Linien Passage zu nehmen, und werden im letzten Moment vor der Einschiffung verhaftet. Gerade die Passagiere der ausländischen Schiffe kontrolliert man außerordentlich scharf. Auf den französischen Paketbooten dagegen, die zwischen Algier oder Oran und Marseille laufen, werden Pässe oder Legitimationspapiere nicht abverlangt, weil sie nur zwischen französischen Häfen verkehren und als interner französischer Verkehrsweg gelten.
Völlig sicher für den flüchtenden Legionär ist die Route von Algier nach Tunis. Dort beachtet ihn niemand im Wirrwarr des riesigen Levanteverkehrs, und zur Passage nach einem italienischen Hafen braucht er keine Papiere. Aber die Kosten sind enorm!
Unter den desertierenden Legionären ist jedoch die Zahl derer, die in Zivilkleidern auf dem relativ einfachen Wege der Bahnlinien zur Küste und der Mittelmeerdampfer entfliehen können, verschwindend klein. Reisen kostet Geld ... Eine Flucht über die Stadt Algier erfordert ein kleines Kapital. Mindestens 150 Franks. Das ist noch sehr niedrig gerechnet, denn 70 Franks ungefähr verschlingt schon der Kleiderkauf in Sidi-bel-Abbès. Wie wenige Menschen gibt es in der Legion, die eine solche Summe auftreiben können!
In der großen Mehrzahl sind die armen Teufel, die nirgends in der Welt einen Menschen haben, der ihnen Geld schicken könnte oder wollte; die in ihren Legionsjahren niemals auch nur einen einzigen Silberfrank besitzen. Geschweige denn Goldstücke. Aus ihnen setzt sich das Gros der Deserteure zusammen und – das Gros der Sträflinge. Die Flucht gelingt ihnen selten, wenn sie auch Monate verbringen, um diese vorzubereiten und hundertmal mit alten Legionären den Reiseweg durchbesprechen. Es sind Leute, denen es tödlicher Ernst ist mit ihrem Fluchtvorsatz. Sie rennen nicht blindlings ins Land hinaus wie die poumpistes , die ja schließlich nicht mehr wollen als ein paar Tage vagabondierender Freiheit. Der natürliche Weg auch für sie ist der Weg zur Küste. In Uniform. Zu Fuß.
In den beiden Worten liegt der ganze Leidensweg dieser Flüchtlinge. Wenn auch die Entfernung zur Meeresküste von Sidi-bel-Abbès nur etwa 100 Kilometer beträgt, eine Strecke, die nicht viel besagen will für marschgewohnte Legionärsbeine, so ist dafür jeder einzelne dieser hundertundzwanzig Kilometer gefahrvoll. In seiner Uniform ist der Flüchtling auf weite Entfernung als Legionär zu erkennen. Zwar marschiert er nur nachts. Aber die Sternennächte sind hell in Algerien und er muß von Felsen zu Felsen, von Terrainwelle zu Terrainwelle schleichen, um ungesehen zu bleiben von spähenden Gendarmenaugen. Tagsüber liegt er regungslos im Sand. Er hungert und durstet tagelang, er lebt von Früchten, die er aus Gärten stiehlt, wenn ihn der Hunger dazu treibt, die Gefahr der Entdeckung zu riskieren.
Ist die Küste glücklich erreicht, so beginnt das Versteckspiel aufs neue. Lange Tage liegt er oft in einer der kleinen Küstenstädte, die von den Trampdampfern des Mittelmeeres angelaufen werden, in einem Schuppen oder in einem alten Boot am Hafen verborgen, bis ein Schiff einläuft, das die deutsche oder die englische Flagge führt. In tiefer Nacht schwimmt er dann zum Schiff hinaus, klettert an Bord und versteckt sich in einem der Schiffsboote oder zwischen den Kohlen oder im Laderaum. Erst wenn das Schiff auf hoher See ist, kommt er zum Vorschein, zur mehr oder weniger angenehmen Ueberraschung des Kapitäns. Nun ist er geborgen – über Bord kann man ihn schließlich nicht werfen. Es gibt übrigens viele Kapitäne, die ein Auge zudrücken, wenn ein solcher Flüchtling an Bord ihrer Schiffe entdeckt wird, auch dann, wenn der Dampfer noch im Hafen liegt – die ihn
Weitere Kostenlose Bücher