In der Fremdenlegion (German Edition)
nicht wegweisen, die es in ihrer Menschenfreundlichkeit sogar auf Unannehmlichkeiten mit den französischen Behörden ankommen lassen.
Es sind meist deutsche Dampfer, und zwar Hamburger Schiffe. Immer wieder landen desertierte Legionäre in der alten Hansestadt und immer wieder ist im lokalen Teil der Hamburger Tageszeitungen die stereotype Notiz zu lesen, daß mit dem und dem Dampfer desertierte Fremdenlegionäre angekommen seien und vorläufig der Polizeibehörde übergeben wurden.
Dann und wann kommen sie sogar samt Uniform und Bajonett und Schärpe auf die Hamburger Zeitungsredaktionen und erzählen den geplagten Lokalredakteuren von ihrem Legionsleben und ihren Legionsleiden ...
Das sind die Glücklichen, der verschwindend kleine Teil der geldlosen Deserteure, denen die Flucht gelingt.
Der großen Mehrzahl winkt nicht die Freiheit, sondern das Gefängnis als Ende ihres Fluchtversuchs. Beziffern sich doch die Fangprämien der arabischen Gendarmerie für ergriffene Deserteure auf Tausende von Franks alljährlich!
Das Landsknechtsregiment kennt noch viele andere Fluchtwege, wenn man den Begriff »Desertion« so auffaßt, daß dem Deserteur jedes Mittel zur Befreiung vom Legionsleben recht ist. Im glühendheißen Sommer, zur Zeit der enormen Temperaturwechsel zwischen Tag und Nacht, schleicht Krankheit aller Art durch Algerien. Das Trinkwasser wird schlecht und der Typhus kommt: der seines Dienstes überdrüssige Legionär kann mit einiger Gewißheit darauf rechnen, gründlich krank zu werden.
Um aber ganz sicher zu gehen, hilft er nach – mit einem merkwürdigen Legionsmittelchen: er trinkt eine Mischung von Absinth und Milch. Jeder alte Legionär schwört darauf, daß dieser Höllentrank mit unfehlbarer Promptheit einen schweren Fieberanfall hervorrufe! Zweck dieser selbstmörderischen Art von »Desertion« ist natürlich, durch eine lange Krankheitsperiode sich von der Legionsarbeit zu drücken – sie erreicht diesen Zweck immer: oft so gründlich, daß das Fieber seinen Erzeuger auf den Friedhof der Fremdenlegion bringt!
Auf gleicher Stufe steht die Selbstverstümmelung, das Abhacken der Finger, um dienstuntauglich zu werden. Wieder eine andere Art von Desertion ist das Simulieren von Krankheit oder Wahnsinn, das bei dem Mißtrauen und der praktischen Brutalität der Legionsärzte sehr schwer ist. Dann und wann jedoch gelingt es einem Legionär mit eiserner Energie und unbeugsamem Willen, die Wahnsinnskomödie erfolgreich durchzuführen.
Die Mittel sind manchmal drastisch. In meiner Kompagnie diente einige Jahre vor meinem Legionseintritt ein Belgier, der über ein Jahr lang simulierte. Er beschmutzte die Mannschaftsstube auf eine Weise, die bei seinen Stubenkameraden Wutausbrüche auslöste, und beantwortete alle Vorwürfe und »Repressalien« nur mit einem blöden Lächeln. Er ließ sich schimpfen, er ließ sich schlagen.
Dieser Mann war konsequent. Er führte seine für ihn wie für andere unangenehme Wahnsinnsrolle beharrlich durch. Man sperrte ihn ein, man zwang ihn zu harter Arbeit, man schaffte ihn ins Lazarett und ließ ihn bis zur äußersten Grenze des Möglichen hungern oder malträtierte ihn schauderhaft mit Laxativen; er wurde wochenlang in eine Dunkelzelle gesperrt, er wurde ins Spital nach Daya geschickt und monatelang mit Kaltwasserbearbeitung nach allen Regeln der Kunst geplagt – alles umsonst! Seine Methode und sein Lächeln blieben unverändert. Nach dreizehn Monaten fühlten sich die Aerzte chikaniert, gaben die Sache als hoffnungslos und auf die Dauer uninteressant auf und erklärten ihn für blödsinnig. Der Oberst ließ sich den Kranken aus purer Neugierde noch einmal vorstellen, wobei der Blödsinnige ausgerechnet im Regimentsbureau einen Anfall seiner speziellen Wahnsinnsart hatte. Dann wurde der Mann als untauglich entlassen.
Kaum aber war er in seiner belgischen Heimat angekommen, so schrieb er an die Offiziere und eine ganze Reihe Legionäre seiner Kompagnie höhnische Ansichtskarten – – Er habe sie alle zum Narren gehalten und sie seien Esel! Der kolossalste Esel sei seiner unmaßgeblichen Ansicht nach der Generalarzt des Regiments!! Noch dümmer, wenn möglich, sei der Generalarzt von Algerien!!!
Eine enorme Energie gehört jedoch dazu, um ein derartiges Simulieren erfolgreich durchzuführen, und die Fälle des Gelingens sind in winziger Minderzahl. Die Aerzte der Fremdenregimenter sind gewitzigt, sind mehr als mißtrauisch, und das Resultat ist, daß eine
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