In der Fremdenlegion (German Edition)
sich am marokkanischen Himmel zusammen. Von der Grenze kamen fortwährend neue Nachrichten über die geduldige Minierarbeit des Prätendenten, größere Gefechte fanden im Hinterland Marokkos in immer kürzeren Zwischenräumen statt, und in den wachsamen Offizierskreisen des französischen Afrika war man schon damals überzeugt, daß die inneren Unruhen in Marokko keine bedeutungslosen Thronzwistigkeiten, sondern die ersten Funken eines großen Brandes waren.
Die Fremdenlegion wußte das, denn was in den Offiziersmessen besprochen, beraten, gehofft wurde, sickerte durch viele kleine Kanäle zum Regiment durch. Ordonnanzen kamen fiebernd vor Aufregung in die Kaserne gerannt, wenn ihr Dienst in der Messe beendet war, und erzählten ihren Legionärsfreunden von den leidenschaftlichen Debatten am Offizierstisch, die sich alle um Marokko drehten. Burschen höherer Offiziere berichteten von geheimnisvollen marokkanischen Besuchen bei ihren Herren – abgelöste Spahis aus den marokkanischen Grenzgarnisonen, die auf der Durchreise nach Oran im Regiment verpflegt wurden, erzählten von scharfem Dienst an der Grenze und von Verstärkungen der Grenzstationen.
Die alten Legionäre steckten die Köpfe zusammen und spekulierten über die Aussicht auf blutigen Krieg! Wunderbare Dinge wußten sie zu erzählen über die goldenen Schätze Marokkos, über die Goldmünzen und den Schmuck, den vornehme Marokkaner bei sich tragen, und in phantastischen Träumen malten sie sich ein Eldorado von geplünderten Reichtümern und erbeuteten Schätzen aus. Täglich bekamen die geheimnisvollen Gerüchte neue Nahrung. Weit über die Hälfte der Offiziere des Regiments wurde nach den kleinen Grenzstationen abkommandiert, und es war sehr natürlich, wenn man in der Legion darin ein bedeutsames Kriegszeichen sah. Mit vielem Schmunzeln erzählte man, daß der Oberst sich zwei Instruktoren genommen habe, um seine Kenntnisse im Arabischen auf die Höhe zu bringen, und begeisterte sich über umfangreiche Munitionssendungen aus Frankreich, für die in aller Eile ein neuer Patronenschuppen gebaut werden mußte. Gegenüber in der Spahikaserne wurde eifrig rekrutiert. Täglich kamen die neuen arabischen Rekruten mit ihren prachtvollen Pferden an. Telegraphenabteilungen gingen zur Grenze ab, um die alten Linien nachzuprüfen und neue anzulegen, Freiwillige für den Heliographendienst wurden verlangt, und alte Legionäre, deren Dienstzeit abgelaufen war, bekamen von diesem oder jenem Offizier einen Wink, daß es für sie vorteilhaft sein würde, ihre Entlassung jetzt nicht zu nehmen ...
Marokko war die Losung. Auf dem Umwege über Unteroffiziere, Ordonnanzen, Offiziersburschen, mag allerlei hinzugedichtet und so manches ins Groteske verzerrt worden sein, aber es hörte sich alles sehr wahrscheinlich und sehr typisch an. Die Legion ist wie ein großes Hörrohr – sie fängt aus unzähligen kleinen Kanälchen den Offiziersklatsch, die Offiziersintriguen in sich auf und weiß eine Menge Dinge über die militärischen Affären des nördlichen Afrika: sie weiß, daß die leitenden militärischen Kreise in Algerien ihre höchsteigene Militärpolitik treiben, daß das kluge Schlagwort von der »pénétration pacifique« in einem Kasino geprägt wurde, daß das gewinnsüchtige Schielen nach Marokko so alt ist wie die Okkupation Algeriens!
Es war, als ob alle im Banne einer Suggestion stünden. Die Sehnsucht nach »le Maroc« übertrug sich auf die Legionäre, die das nervöse Sehnen nach Veränderung und Aufregung auf ihre Art ins Praktische übersetzten – sie rissen in Scharen aus – nach Marokko. Die meisten fanden den Tod. Die Grenzstämme schnitten ihnen den Hals ab.
Andere waren glücklicher. Im Heere des Prätendenten, des jetzigen Sultans Mulay Hafid, dienten viele ehemalige Fremdenlegionäre als Offiziere!
Das Kapitel der Strafen.
Die Rückkehr der Pumpisten. – Die Stufenleiter der Strafen in der Fremdenlegion. – Wie Schikanen inszeniert werden. – Das Legions-Axiom. – Die traurige Geschichte des kleinen Jean. – Schleichwege der Bosheit. – Die Strafmaschine. – Eine Rechnung über verlorene Jahre. – Verdienst eines Legionärs in fünf Jahren: Francs 127,50! – Die Gefängnisse der Fremdenlegion. – Verpestete Luft. – Zusammengepferchte Menschen. – Die Massenzellen. – Leben der Gefangenen. – Eine Nachtwache im Zellengang.
»Nom de Dieu – voilà les poumpistes!« rief der wachhabende Sergeant am Kasernentor. Alles sprang
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