In der Fremdenlegion (German Edition)
ehrbaren Kaufmannes ist die Geschäftstransaktion nicht!
Sie geht vor sich unter dem Prinzip: Möglichst schlechte Ware um möglichst teures Geld! In dem Käufer steckt schon die Nervosität der Flucht, und wenn er auch zu feilschen versucht, so bezahlt er schließlich doch einen Preis, der immer noch horrend ist. Fünfzig Francs kostet gewöhnlich solch ein alter Flüchtlingsanzug, dessen Hosen vielleicht aus Deutschland, die Weste aus Frankreich, der Rock aus Italien stammen, und der mit einem Zehn-Francsstück bedeutend über den Wert bezahlt wäre. Das Geschäft gestaltet sich aber noch weit besser. Ein Goldstück ist die Kompensation dafür, daß der Legionär im Hause seines »Geschäftsfreundes« sich umziehen darf; ein weiteres Goldstück verschlingt das »Disponieren« über die Uniform, die ein auch nur einigermaßen fürsorglicher Legionär nicht so leicht im Stiche läßt. Denn der ohne Uniform ergriffene Deserteur kommt wegen Diebstahls vors Kriegsgericht, und das durch seine drakonischen Sprüche berüchtigte Oraner Militärtribunal erkennt regelmäßig auf eine schwere Zuchthausstrafe. Aber der Mann Israels sorgt – gegen das bewußte Goldstück natürlich – gerne dafür, daß die Uniform und alle Ausrüstungsgegenstände seines Kunden dem armen Regiment erhalten bleiben. Die Methode bleibt sich immer gleich! Fein säuberlich zusammengeschnürt, lagert die Uniform drei oder vier Tage. Dann wirft nachts ein Ghettojüngling das Paket über die Mauer der Legionskaserne. Vorher ist es mit einem Zettel beklebt worden, auf dem Name und Nummer des verdufteten Besitzers stehen, damit die Herren von der Kleiderkammer sich nicht die Köpfe zu zerbrechen brauchen, wie die vom Himmel gefallene Sendung registriert werden soll.
Alles hübsch liebenswürdig!
Der Flüchtling aber wandert durch die Gassen des Judenviertels und die Straßen von Sidi-bel-Abbès und muß sehr aufpassen, daß er die ihm begegnenden Offiziere und Unteroffiziere nicht instinktiv militärisch grüßt! Sein Geld, das ihm die Zivilkleider verschaffte, und das noch für ein paar Wochen Unterhalt, für die Bahnfahrt und die Reise über das Mittelmeer ausreichen muß, ist ihm eine gewaltige Hilfe. Unendlich viele Schwierigkeiten liegen aber immer noch vor ihm.
Er darf nirgends auffallen, er muß seine Zunge hüten, damit ihn das eigentümliche Legionsfranzösisch nicht verrate, er muß die Rolle des unverdächtigen Reisenden meisterhaft spielen. Vom Bahnhof von Sidi-bel-Abbès, den Tag und Nacht ein Unteroffizierskommando der Legion bewacht, kann er natürlich nicht abfahren. Zu Fuß muß er nach irgend einer der Zwischenstationen laufen; je weiter von Sidi-bel-Abbès, desto unverdächtiger. Er macht einen gewaltigen Nachtmarsch, gefährlich durch die fortwährend streifenden arabischen Gendarmen. Dann kommt die Bahnfahrt nach einer Küstenstadt. In Frage kommen eigentlich nur Oran und die Stadt Algier, da nur von diesen beiden Plätzen aus regelmäßige Dampferlinien laufen. Oran wird wegen seiner Nähe und seinen vielen Legionsoffizieren gefürchtet. Die Reise nach Algier dagegen ist sehr teuer, und es kommt häufig vor, daß dem Flüchtling das Geld ausgeht und er mittellos in Algier steht. Deutsche Legionäre bestürmen dann gewöhnlich das deutsche Konsulat, bekommen aber den stereotypen Bescheid, daß »für solche Zwecke« keine Mittel vorhanden wären.
Das Konsulat kann aber nicht nur nicht helfen, sondern stellt obendrein noch die schönste und bequemste Mausefalle dar, die sich die französischen Gendarmen zum Fang von Deserteuren der Fremdenlegion nur wünschen können. Alte Legionäre warnen immer: »Geh' um Gotteswillen in Algier nicht zum Konsul.« Wenn aber ein Flüchtling dennoch den Konsul aufsucht, so bedeutet ihm dieser, wie gesagt, er könne ihm keinesfalls zur Flucht verhelfen.
Nun tritt die Mausefalle in ihre Fangaktion. Die Gendarmen in Algier wissen ganz genau, daß unter den Besuchern des Konsulats sich viele entflohene Legionäre befinden. Sie bewachen das Konsulatsgebäude mit scharfen Augen. Wenn ein »Herauskommender« auch nur im geringsten verdächtig aussieht, nehmen sie ihn sofort liebevoll in Empfang und erkundigen sich angelegentlichst nach seinen Legitimationspapieren. Damit ist der Flüchtling geliefert ...
Ich möchte wohl wissen, ob der deutsche Konsul in Algier eine Ahnung davon hat, daß er in aller Unschuld so und so oft das Verhängnis von deutschen Legionären geworden ist!
Der Flüchtling,
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