In der Fremdenlegion (German Edition)
Saïda wartete, in dessen Nähe damals das Strafbataillon arbeitete. Endlich gelang es den Brüdern, nachts aus dem Lagerzelt zu entfliehen. Sie erreichten glücklich die verabredete Stelle, fanden den Levantiner mit seinem Wagen wartend und fuhren darauf los, so schnell es nur auf den sandigen Wegen möglich war. Das Automobil hatte jedoch in Saïda Aufsehen erregt, und die Militärbehörden kamen sofort nach der Flucht auf den Gedanken, daß die beharrlichen Deserteure das ungewöhnliche Mittel des Autos gewählt hatten. Der Telegraph spielte von Militärstation zu Militärstation. An einer engen Wegstelle nördlich von Sidi-bel-Abbès verbarrikadierten arabische Gendarmen die Straße, die hier durch eine felsige, für einen Wagen unpassierbare Hügelgegend führte.
Kurze Zeit nachher kam der Kraftwagen in voller Fahrt dahergejagt. Die Anrufe der entgegengerittenen Gendarmen beachteten die Flüchtlinge nicht und stürmten in voller Fahrt gegen die aufgetürmten Steine. Der Wagen überschlug sich. Die beiden Deserteure wurden sofort getötet. Den Levantiner brachte man schwer verletzt nach Sidi-bel-Abbès, und nach einigen Tagen starb er im dortigen Hospital.
Die andere Geschichte schilderte ein erschütterndes Menschenschicksal:
Ein österreichischer Ingenieur war in jungen Jahren aus irgendeinem Grunde in die Legion verschlagen worden. Zwei Jahre lang trug er die Uniform. Dann gelang es ihm, zu entfliehen und sich nach seiner österreichischen Heimat durchzuschlagen. In dem Mann muß ein tüchtiger Kern gesteckt haben, denn er eroberte sich rasch eine angesehene Stellung in seinem Beruf. Und dann schüttete das Glück ein Füllhorn von Erfolg über ihn aus. Er machte eine bedeutende Erfindung, die ihm ein Vermögen einbrachte. Der Ehrgeiz trieb ihn, die Maschine, die er erfunden hatte, auf die große Weltausstellung nach Paris zu senden, und er war leichtsinnig genug, selbst nach Paris zu fahren. In dem erfolgreichen Ingenieur würde niemand den desertierten Fremdenlegionär erkennen, mag er sich gedacht haben. Aber die Grausamkeit des Zufalls wollte es anders. Als er in der Weltausstellung bei seiner Maschine stand, erkannte ihn ein Offizier seiner Kompagnie, der in Paris auf Urlaub war!
Der Offizier tat seine militärische Pflicht und ließ den Deserteur verhaften. Mit einem Schlage wurde aus dem Mann, der sich aus tiefstem Elend zu den Höhen des Lebens hinaufgearbeitet hatte, dem die Legionsepisode seines Lebens nur einen dunklen Schatten der Erinnerung bedeutete, wieder ein Legionssträfling in grobem Drillich. Einige Tage in einem Pariser Militärgefängnis, einige Stunden Fahrt in einem Gefangenenabteil der Eisenbahn, die kurze Meerreise von Marseille nach Oran, die qualvollen Minuten der Verhandlung vor dem Kriegsgericht – und dann ewiges, stumpfsinniges Arbeiten in einem algerischen Bergwerk als Zuchthaussträfling, in geistigem Tod, in unablässigem Tod, in unablässigem Sehnen. So lebte dieser Mann viele Monate lang, bis ihn das häßliche Klima hinwegraffte ...
*
Immer ist eine Flucht aus der Fremdenlegion ein schwieriges und waghalsiges Unternehmen, waghalsig, weil der ergriffene Deserteur den schwersten Strafen entgegengeht. Selbst der Besitz von reichen Geldmitteln bietet noch lange keine Gewähr für das Gelingen einer Flucht. Viele Hindernisse müssen überwunden, ein wahrer Berg von Schwierigkeiten muß überklettert werden.
Vom Beginn des Beginnens:
Die Zivilkleider liefert das Ghetto von Sidi-bel-Abbès.
Dort beginnt das erste Kapitel einer Legionärsflucht, die ersten Vorbereitungen, zu denen der werdende Deserteur nicht nur Geld braucht, sondern vor allem ein ausgeprägtes Talent für Handeln und Feilschen. Das Kaufen der Zivilkleider. Die Anknüpfung des Geschäftes ist sehr leicht. Der Legionär spricht in einer der winkeligen Gassen einen ganz beliebigen Passanten an und flüstert ihm zu, daß er jemand wüßte, der vielleicht Zivilkleider kaufen würde. Einmal in hundert Fällen mag der Passant den Kopf schütteln und seines Weges gehen. In den andern neunundneunzig Fällen macht er ein vergnügtes Gesicht und antwortet im gleichen Flüsterton, der Legionär solle unauffällig hinter ihm hergehen und mit in sein Haus kommen. Dort setzt der Schacher ein. Ganze Haufen von alten Kleidern werden hervorgesucht, bis sich etwas findet, das einigermaßen den Größenverhältnissen des Kunden entspricht. Stiefel kommen dazu, Wäsche und Kragen, Hut und Kravatte. Reell im Sinne des
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