In der Gewalt der Banditen
ich alleine war. Vollkommen alleine. W enn ich mich nicht selbst um meine Angelegenheiten kümmerte, so tat es niemand.
Dire Ehe war nur ein neues Kapitel im Lehrbuch: Erdulde und schweige! für mich.
Wobei aufgrund meiner mangelnden moralischen Erziehung, der fehlenden Vermittlung allgemeingültiger Werte, die Frage, ob ich eine Woche kürzer oder länger mit meinem künftigen Gemahl zusammenlebte, ohne mit ihm verheiratet zu sein, keine wirkliche Rolle für mich spielte.
Wen hätte dies denn kümmern sollen? Hatte sich doch auch niemand darum geschert, dass man mich in Hackston hatte beinahe verhungern lassen, ich selbst im tiefsten Winter in kaltem Wasser zu baden hatte, dass ich mehr Schläge hatte erdulden müssen, als ein Lastesel und was der Torturen mehr gewesen waren.
Würde mein künftiger Gatte also vor der Zeit in meinem Schlafgemach ersche i nen und gewisse Rechte einfordern, so würde ich mich ihm ohne Weiteres u n terworfen haben.
Aber es kam nicht dazu.
Wir saßen also beim Dinner, das aus einer klaren Suppe mit Fleischeinlage b e stand, wozu geröstetes Brot und Wein gereicht wurden und sprachen von uns e rer Hochzeit mit der distanzierten Kühle von Menschen, die diese Fragen eigen t lich nicht wirklich betrafen.
Mit einem knappen Nicken ließ Henry sich nochmals Suppe geben, ich hingegen hatte keinen Appetit.
„Sie sehen fiebrig aus, Madame“, stellte Henry fest.
„Die Reise hat mich wohl etwas mitgenommen. Ich bitte um Verzeihung“, erw i derte ich leise.
„Nun … Ich werde dem Pfarrer Bescheid geben, dass die Trauung in der ko m menden Woche stattfinden wird.“
Auch hieran fand ich nichts auszusetzen.
Er stimmte sich selbst zu.
„Sollten S ie noch irgendwelche Anliegen haben, scheuen Sie sich bitte nicht, sie mir vorzutragen.“
„Gewiss. Ich danke Ihnen.“
Mit müden Augen blickte ich in meinen Teller, an dessen Grund sich haarfeine Risse ausbreiteten und eine bräunliche Farbe angenommen hatten.
„Wenn ich mich zurückziehen dürfte …“, sagte ich mit matter Stimme, denn es ging mir mit jedem Moment schlechter . Als ich das Speisezimmer verlassen ha t te, fürchtete ich bereits, in Ohnmacht zu fallen, was sonst nicht meine Art war.
„Bitte, bringen sie …“, das war alles, woran ich mich erinnern konnte.
Ich kam wieder zu mir, nachdem man mich auf eine hölzerne Bank gelegt und mir ein scharf riechendes Pulver unter die Nase gerieben hatte .
Und gerade, da ich wieder zu mir kam, hörte ich die Stimme meines zukünft i gen Gatten, wie er zu jemandem sprach, den ich nicht sehen konnte.
„Herrgott, sie wird doch nicht krank sein? Verdammt. Wenn sie etwas Ernstes hat, müssen die sie zurücknehmen.“
In jenem Moment, so kurz er sein mochte, den ich brauchte, um die Fassung zu wahren, zog sich meine Kehle zusammen, als würde ich von knöchernen Fi n gern gewürgt. Tränen schossen in meine Augen und es kostete mich alles, nicht laut aufzuschreien.
Ich hatte unendlich viele Momente der vollkommenen Verlassenheit und Ei n samkeit erlebt, doch sie hatten nie den bitteren Beigeschmack des Endlosen gehabt. Es gab stets die Aussicht auf die Gesellschaft anderer Betroffener.
Die Möglichkeit, sich in den harten Betten aneinander zu kuscheln, wie eine Schafherde bei Gewitter. Wenn es schon keinen Schutz geben konnte, so doch das Verständnis der Anderen.
Jetzt aber war ich alleine.
Vollkommen.
Die Dienerin mit den kornblumenblauen Augen stand neben mir, hielt meine Hand und ich wusste, dass sie seine Worte ebenfalls gehört hatte und, dass sie sich für ihren Herrn schämte.
„Denken Sie, Sie können gehen, M´am?“, fragte sie so vorsichtig, als könne alleine ihre Stimme mir schon Qual bereiten. Ich nickte und bemühte mich, so gut es irgend ging, zu laufen, ohne zusammenzubrechen.
Meine Beine waren schwer wie Stein und Schweiß brach wieder und wieder aus meiner Haut.
Eine zentnerschwere Last drückte auf meine Brust und ich bekam immer wen i ger Luft.
Es war eine Erlösung, als wir es zurück in mein Zimmer geschafft hatten und ich endlich in meinem Bett lag.
Die Dienerin goss etwas Wasser aus einer Karaffe in ein Glas und wie sie dabei die Lippen aufeinander rieb, wusste ich, dass sie mit sich rang.
„Willst du mir etwas sagen?“, fragte ich so klar als möglich, wenn meine Kehle auch ausgetrocknet war.
„Nein. Ja … Also … Der Herr ist manchmal etwas schroff, aber er meint es nicht so.“
Es ging mir zu schlecht, um nette Konversation zu
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