In der Hitze der Nacht
verlassen hätte. »O mein Gott . . .«, flüsterte sie. »Was habe ich getan?«
»Schon gut«, sagte Tina und berührte kurz Susanne Ewers’ Arm. »Ist ja nicht so schlimm.«
»Nicht so schlimm?« Susanne Ewers blickte auf. »Nicht so schlimm, sagst du? Das war es dann mit diesem Job. Und ich bin Mitte fünfzig. Meinst du, daß mich noch irgend jemand haben will?«
Tina fühlte sich in einer Zwickmühle. Ich bin froh, wenn ich dich los bin, hätte sie am liebsten gesagt. Und alles andere ist mir egal. Aber so ein Mensch war sie nicht. Susanne Ewers tat ihr leid. »Es muß ja niemand davon erfahren«, sagte sie.
Susanne Ewers gab ein trockenes Geräusch von sich. »Und was muß ich dafür tun?«
»Die Abmahnung war ungerechtfertigt«, sagte Tina. »Ich habe nichts getan, um das zu verdienen.«
Susanne Ewers legte kurz den Kopf zurück. »Weißt du, wie du aussahst, als du aus der Mittagspause kamst?«
»Ich weiß«, sagte Tina. »Ich habe mich im Spiegel gesehen. Ich bin schon den Hofgarten entlang und dann die Treppe hochgelaufen. Dann sieht man so aus.«
»Wirklich nur das?« Susanne Ewers wirkte furchtbar gequält.
»Wirklich nur das.« Tina atmete tief durch. »Ich lüge nicht.«
»Nein.« Susanne Ewers ließ ihre Augen über Tinas Gesicht wandern. »Du lügst nicht. Aber ich –« Sie wandte sich ab. »Du mußt mich für ein Monster halten.«
Da liegst du gar nicht so falsch. »Du hast mich nicht sehr gut behandelt.« Tina musterte Susanne Ewers. Nun auf einmal erschien sie ihr nicht mehr so bedrohlich.
»Du hast . . . bestimmt . . . einen Freund«, brachte Susanne Ewers mühsam hervor, »und demnächst heiratest du und kriegst Kinder. Dann hast du eine Familie und hörst hier auf.« Sie schluckte. »Ich bringe mich um, wenn du nicht mehr da bist.«
Tinas Augen öffneten sich weit. »Susanne!« Sie starrte Susanne Ewers fassungslos an. »Das kann doch nicht . . . das meinst du nicht ernst.«
»Doch. Ganz ernst.« Susanne Ewers schaute Tina dermaßen verzweifelt an, daß Tina sie fast in den Arm genommen hätte. »Was habe ich denn noch vom Leben, wenn du auch noch weg bist? Du bist mein einziger Lichtblick. Ich freue mich jeden Morgen darauf herzukommen und dich zu sehen.«
Tina machte ein überraschtes Geräusch. »Das hast du aber gut versteckt.«
»Ich weiß.« Susanne Ewers rang die Hände. »Aber diese Qual, dich immer nur ansehen zu dürfen . . . dich nie berühren zu dürfen . . . ich war schon fast so weit zu kündigen. Aber wer nimmt mich noch in meinem Alter?«
Tina fühlte sich mehr und mehr überfordert. Sie hatte ihre eigenen Probleme. Genug davon. Sie konnte sich nicht auch noch um die ihrer Chefin kümmern. Vor allem, wenn es keine Lösung gab. Sie konnte wohl kaum mit Susanne Ewers schlafen, nur damit sie sich besser fühlte. Sie hob etwas hilflos die Hände. »Ich hätte vielleicht auch gekündigt, wenn das so weitergegangen wäre.«
»Aber jetzt . . .« Susanne Ewers blickte sie flehend an. »Jetzt bleibst du?«
Vielleicht sollte ich wirklich kündigen, dachte Tina. Das hat doch keinen Sinn. Sie wird weiterhin meine Chefin sein, sie wird weiterhin etwas von mir wollen, und ich kann es ihr nicht geben. Dann wird es genauso sein wie vorher. »Das hängt von den Umständen ab«, sagte sie.
»Ich lösche die Abmahnung aus deiner Akte«, sagte Susanne Ewers hastig. »Selbstverständlich.«
Das ist ja wohl das mindeste, dachte Tina. Aber sie wußte nicht, ob es genug war. »Gut«, sagte sie. »Danke.«
»Tina . . .« Susanne Ewers’ Augen wirkten den Tränen nahe. »Wirst du . . . kannst du es vergessen?« Sie schluckte.
Tina schaute sie an. Susanne Ewers tat ihr furchtbar leid, aber ob das genug war? Sie atmete tief durch. »Ich werde es versuchen«, sagte sie. »Aber du mußt darüber hinwegkommen. Ich stehe nicht zur Verfügung.«
»Ich weiß.« Susanne Ewers senkte den Blick. »Bitte geh jetzt«, sagte sie leise. »Geh jetzt und vergiß, was war. Wenn du kannst.« Es war klar, daß sie es nicht konnte.
Tina nahm ihre Tasche und machte ein paar Schritte zur Tür. Dann drehte sie sich noch einmal um. »Susanne . . .«
Susanne Ewers hob den Blick.
»Es ist alles in Ordnung.« Tina lächelte leicht. »Wirklich.«
Susanne Ewers sah nicht so aus, als ob sie das glaubte, als Tina endgültig das Büro verließ.
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S chon mindestens eine halbe Stunde lag Tina in der Badewanne. Sie fühlte sich mehr als erschöpft. Ihr Kopf brummte, und
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