In der Oase
Ich bin müde, die Last wird mir zu viel, Aahmes-nofretari, ich bin meine eigene Stärke müde. Lass mich allein.«
»Dann gilt dir auch Ägyptens Schicksal nichts mehr?«, beharrte Aahmes-nofretari. »Ahmose wird König sein, wenn die siebzig Tage Trauerzeit für Kamose vorbei sind. Ist es dir einerlei, dass Ägypten noch immer einen König hat?« Tetischeri entzog Aahmes-nofretari ihre Finger.
»Nein, das ist es nicht«, sagte sie. »Aber dieser König ist nicht Kamose. Es hätte Kamose sein sollen. Du hättest ihn, nicht seinen Bruder heiraten sollen.«
»Wir müssen entscheiden, was wir mit den Fürsten tun«, sagte Aahmes-nofretari nachdrücklich. »Mutter und ich brauchen deinen Rat, Tetischeri, wir brauchen deine ganze Kraft.« Tetischeri blickte sie mit glasigen Augen an.
»Was gibt es da zu entscheiden«, sagte sie verwaschen. »Töten, allesamt. Schickt sie in den Gerichtssaal und lasst Sobek ihre Knochen zermalmen.« Aahmes-nofretari stand auf, stemmte die Hände in die Hüften und blickte auf ihre Großmutter herunter.
»Du wirst jetzt gewaschen und trinkst etwas Milch und dann verschläfst du deinen Rausch«, befahl sie. »Ich schicke dir den Arzt. Wir leiden alle, Tetischeri. Eigentlich sollten wir uns daran gewöhnt haben, nicht wahr? Ich für mein Teil nicht.« Und ich möchte auch nicht die Starke sein, hätte sie gern angefügt. Das bist immer du gewesen. Bitte, Tetischeri, verlass uns nicht.
In diesem Augenblick machte Uni die Tür auf und ließ Isis und eine weitere Dienerin mit einer dampfenden Schüssel und Handtüchern ein. Aahmes-nofretari sagte: »Falls ich gebraucht werde, ich bin im Gefängnis. Deine Gebieterin muss Milch trinken, gewaschen und zu Bett gebracht werden. Lass dich nicht auf Widerworte ein, Uni. Dieses eine Mal nicht. Isis kann den Arzt holen. Keine Matten vor das Fenster. Die Luft hier ist sehr abgestanden.«
Tetischeri, ich bin wütend auf dich, dachte sie, als sie durch das Haus ging. Wütend und gekränkt. Kamose war der Abgott deines schwarzen Himmels und hat deine selbstsüchtigen, alten Augen so geblendet, dass du die weniger strahlenden Sterne ringsum nicht bemerkt hast. Hast du ihn nun wirklich geliebt oder war es nur gieriges Besitzergreifen, das sich nach Vaters Tod voll entfalten konnte? Vielleicht kannst du gar nicht lieben. Vielleicht hat Kamose einfach zu gut in die Form gepasst, die du dir ausgedacht hast, und Ahmose nicht. Mein lieber Mann, du tust mir Leid. Es ist zu viel zu tun. Dieses Abgleiten in Selbstmitleid verzeihe ich Großmutter nie. Unser Leben hängt noch immer an einem dünnen Faden. Vor dem Gefängnis sah sie Ramose auf der festgestampften Erde vor der Tür auf sie zukommen.
Er blieb stehen und verneigte sich, seine Miene war gequält und seine erste Frage galt Ahmose.
»Er ist noch immer bewusstlos«, sagte Aahmes-nofretari. »Es gibt keine Veränderung. Hast du deine Mutter besucht, Ramose?« Er nickte niedergeschlagen.
»Sie tobt und beschwert sich und beteuert ihre Unschuld«, sagte er. »Sie erwartet von mir, dass ich sie da heraushole. Was wird aus ihr, Prinzessin? Kommt sie vor Gericht?« Aahmes-nofretari musterte ihn prüfend, ehe sie antwortete. Er stand offensichtlich unter großem Druck, doch sie hatte keine Lust, darauf einzugehen.
»Du bist Kamoses engster Freund gewesen«, sagte sie. »Leider hat auch Nofre-Sachuru zu denen gehört, die sich gegen ihn verschworen haben. Es gibt Beweise, dass sie den Befehl erhalten hat, meinen Sohn zu töten. Was würdest du mit ihr machen?«
»Sie ist meine Mutter«, sagte er verzweifelt. »Wie könnte ich diese Frage beantworten? Die Götter urteilen nicht gut über jemanden, der seine Eltern nicht ehrt. Trotzdem hat sie Hochverrat begangen und den Tod meines Gebieters herbeigeführt.« In seinen braunen Augen stand die nackte Verzweiflung, als sich ihre Blicke kreuzten. »Du wirst sie hinrichten lassen, ja, Aahmes-nofretari?«
»Was zu tun ist, muss rasch getan werden«, sagte sie. »Ägypten muss merken, dass die Strafe schnell und tödlich ist, dass es kein Zaudern gibt, sonst steckt die Verdrossenheit der Fürsten an. Oder schlimmer noch, Apophis wittert eine Schwäche und erobert Land zurück, solange Ahmose verletzt ist und keine Befehle erteilen kann.« Sie berührte ihn sacht. »Nur Mutter und ich stehen noch zwischen dem, was Kamose erreicht hat, und der völligen Katastrophe.« Das flüsterte sie fast. »Ich glaube nicht, dass ich Nofre-Sachuru retten kann.« Flehe mich
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