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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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unwiderruflichen Beschluss nicht warten, bis Ahmose genesen ist? Was würde der Prinz wollen, dass wir tun?« Sie schenkte ihm ein eigenartiges, verzerrtes Lächeln und ließ sich wieder auf den Schemel sinken.
    »Der Prinz ist immer für Mäßigung eingetreten«, sagte sie mit belegter Stimme. »Ausgerechnet du solltest das wissen. Bei Kamoses Feldzügen hat gerade mein Gemahl um Nachsicht, um Zurückhaltung gebeten. Ich kann dir versprechen, dass sich Ahmose, sowie er die Augen aufschlägt, rächen will, und die Rache beginnt mit Auslöschung. Ich werde mich natürlich mit meiner Mutter und meiner Großmutter beraten, aber du kannst gewiss sein, dass auch sie den Tod von Intef und Iasen wollen. Vielleicht auch den von Mesehti und Machu. Man wird sehen.« Darauf hatte er offensichtlich keine Antwort. Mit einem Seufzer bat er darum, gehen zu dürfen.
    Aahmes-nofretari schlief trotz ihrer Erschöpfung unruhig und wachte am nächsten Morgen müde wieder auf. Das Bad erfrischte sie ein wenig. Nachdem sie ihren Schrein geöffnet und für die Genesung ihres Mannes gebetet hatte, besuchte sie die Kinder, schickte Senehat wieder in Ramoses Gemächer, sprach mit dem Arzt, der nichts Neues zu berichten hatte, und ging zu ihrer Großmutter.
    »Wo ist meine Mutter?«, erkundigte sich Aahmes-nofretari bei Uni und sie verspürte die wohl bekannte Bangigkeit wie immer, wenn sie Tetischeri gegenübertreten musste.
    »Die ist heute Morgen, glaube ich, ins Gefängnis gegangen«, antwortete er. »Sie wollte sich mit der Herrin Nofre-Sachuru unterhalten.«
    »Ach so.« Noch vor einem Monat wäre ich davor zurückgeschreckt, meiner Großmutter allein gegenüberzutreten, aber heute schaffe ich es. Ich schaffe jetzt vieles. Uni hielt ihr die Tür auf und sie trat ein.
    Auch Tetischeris Schrein war geöffnet, das Weihrauchgefäß davor verströmte bittere graue Rauchschwaden, die sich in dem geschlossenen Raum zu einem erstickenden Nebel verdichteten. Aahmes-nofretari musste husten, ging sofort zum Fenster und zog die Binsenmatte hoch. Isis hatte gerade die Laken auf Tetischeris Bett glatt gezogen und Tetischeri selbst saß daneben, umklammerte mit beiden Händen einen vollen Becher mit Wein, hatte einen halb vollen Krug auf dem Tisch stehen und auf dem Fußboden einen unberührten Teller mit frischem Brot, Feigen und braunem Käse. »Isis, bring heißes Wasser und Tücher«, wies Aahmes-nofretari sie an. »Deine Gebieterin muss gewaschen werden. Beeil dich.«
    Mit einem Blick unendlicher Erleichterung entfernte sich Isis und Aahmes-nofretari ging zu der alten Dame, nahm ihr den Becher ab und schüttete den Inhalt aus dem Fenster. Tetischeri wehrte sich nicht. Sie sah ihrer Großtochter mit glasigem Blick zu, und da merkte Aahmes-nofretari, dass Tetischeri sturzbetrunken war. Sie hob den Teller auf, wählte eine Feige aus und streckte sie ihr hin. »Iß, Großmutter«, drängte sie. »Du musst etwas essen.« Tetischeri blinzelte langsam.
    »Ich kann Meketra riechen«, sagte sie übertrieben betont. »Ich konnte auch die Saat des Aufruhrs an ihm riechen, als er noch am Leben war.« Aahmes-nofretari legte ihr die Feige in die Hand.
    »Ich werde jetzt deinen Schrein zumachen«, sagte sie laut und deutlich, »und das Weihrauchgefäß ausleeren. Steck die Feige in den Mund, Tetischeri.«
    »Ich will nichts essen«, sagte diese und rümpfte die Nase wie ein störrisches Kind. »Ich habe für Kamose gebetet. Aber für Kamose beten ist nicht so schön wie mit ihm beten, nicht wahr?« Aahmes-nofretari war zum Schrein gegangen und hatte die vergoldeten Türen zugemacht. Der Weihrauch war von allein erloschen. Als sie sich umdrehte, sah sie Tränen über Tetischeris faltige Wangen laufen und sie erschrak. Das hier war die Frau mit dem bislang unbeugsamen Willen. Die Frau mit dem aufrechten Rückgrat, an dem sie alle ihre eigene Kraft gemessen hatten. Wenn Tetischeri zerbricht, sind wir völlig verloren, Mutter und ich, dachte sie. Damit komme ich nicht zurecht! Sie hockte sich vor ihre Großmutter, nahm ihr die Feige ab und ihre knotigen Hände in ihre.
    »Kamose ist tot«, sagte sie mit Nachdruck. »In diesem Augenblick liegt er unter den Messern und Haken der Sem-Priester und kein Wein der Welt bringt ihn zurück, Tetischeri. Keines deiner Gebete führt ihn durch die Tür da. Ich habe ihn auch geliebt und trauere um meinen Verlust, aber Ahmose lebt noch. Gilt er dir denn gar nichts?«
    »Nein«, sagte Tetischeri tonlos. »Jetzt nicht, heute nicht.

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