In der Oase
»General, du musst in die Soldatenzellen gehen und meine Befehle bestätigen«, drängte sie. »Der Befehlshaber der Kaserne, Amun-nacht, ist durchaus vertrauenswürdig, aber vielleicht haben unsere anderen Hauptleute schon beschlossen, mir nicht zu gehorchen, und außerdem müssen die von den Fürsten mitgebrachten Männer eingesperrt bleiben. Der Tod meines Bruders soll nicht umsonst gewesen sein. Finde heraus, wo Mesehti und Machu stecken.« Er begriff sofort, salutierte und strebte dem Garten zu und Aahmes-nofretari ging mit einem letzten, schmerzlichen Blick auf die leere Hülle, die vor ein paar kurzen Stunden noch Kamoses Seele beherbergt hatte, ihrerseits zur Tür.
Im Hinausgehen begegnete sie den Sem-Priestern. Die zogen sich zurück und verbargen das Gesicht, hüllten sich fester in ihre Gewänder, damit sie sich nicht ansteckte, doch heute war es ihr einerlei, dass man sie für unrein hielt. »Balsamiert ihn gut ein«, sagte sie. »Macht ehrerbietige Schnitte und legt ihm die Binden achtungsvoll an. Er war euer König.«
Und jetzt ist Ahmose König. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag, als sie zu seinen Gemächern eilte. Ahmose muss die Befreiung Ägyptens in die Hand nehmen. O ihr Götter, ich weiß nicht, ob ich es wert bin, Königin zu sein.
Ahmoses Tür stand offen, und als sie eintrat, erhob sich ihre Mutter von dem Stuhl neben dem Lager. Sie hatte noch immer das Hemdkleid von vorhin an, dessen Vorderseite jetzt braune, getrocknete Blutflecken aufwies. Mit einem Aufschluchzen warf sie sich in Aahoteps Arme und die beiden Frauen hielten sich lange, wiegten sich und stöhnten. Dann machte sich Aahotep los. »Du kannst mir später erzählen, was sich da draußen abgespielt hat«, sagte sie abrupt. »Also, Ahmose hat einen heftigen Schlag mit der Keule bekommen und ist bewusstlos. Der Arzt ist gerade gegangen. Er hat die Wunde an Ahmoses Kopf genäht und einen Brei aus Honig, Kastoröl und Ebereschenholz mit einer Prise Erde vom Bauernfriedhof aufgelegt, damit sie nicht brandig und der Eiter aufgesaugt wird. Ahmose hat, Amun sei Dank, keinen Schädelbruch. Ich glaube, dass mein überraschender Angriff und Beheks plötzliches Gebell den Hieb des Mörders abgeschwächt haben.«
»Bleibt er am Leben?«
Aahotep lächelte grimmig. »Der Arzt hält seinen Zustand für ernst, aber nicht bedenklich. Irgendwann kommt er wieder zu sich.«
»Ein schwacher Trost.« Aahmes-nofretari sank auf den Stuhl, den ihre Mutter gerade verlassen hatte, und zeigte auf Aahoteps Kleid. »Und ist das…« Aahotep lachte harsch. Für Aahmes-nofretari hörte sich das erschreckend nach Wahnsinn an.
»Ist das Kamoses süßes Blut? Nein, ist es nicht. Ich habe Meketra zweimal getroffen. Es ist sein Leben, das ich auf meinem Kleid habe, und ich muss gestehen, Aahmes-nofretari, dass ich mich darüber freue. Wenn seine Leiche anfängt zu verwesen, lasse ich sie in die Wüste schaffen, dort mögen sich die Hyänen an ihr delektieren.«
»Aber dann finden ihn die Götter nicht und können ihn nicht aburteilen oder retten«, rutschte es Aahmes-nofretari heraus. »Sein Ka geht verloren.« Aahotep ging zur Tür.
»Gut so«, sagte sie heftig. »Das ist mir völlig einerlei. Setz dich zu Ahmose. Rede mit ihm. Bete für ihn. Ich werde mich auf mein Lager werfen und den Schlaf der völlig Gerechten schlafen.«
»Mutter, du hast ihm das Leben gerettet«, sagte Aahmes-nofretari leise.
»Wenn ich und die beiden Soldaten ein wenig eher gekommen wären, wir hätten vielleicht auch Kamose retten können«, sagte Aahotep bitter. »Mein Mann und mein Sohn, beide Opfer der verfluchten Setius.« Sie hob die blutverkrusteten Hände zum Gesicht und ließ sie wieder fallen. »Verzeih mir, Aahmes-nofretari«, murmelte sie. »Ich bin nicht ich selbst.«
Der Hieb hatte Ahmose genau über dem rechten Ohr getroffen. Er lag auf der linken Seite und sah sie an, atmete flach und laut, ein schlaffer Arm lag gebeugt auf dem Laken, das man ihm bis zur Mitte hochgezogen hatte. Seine Haut glänzte schweißfeucht. Er war erschreckend blass.
»Mein Liebster, du darfst nicht sterben«, sagte sie leise.»Ägypten braucht dich, aber ich brauche dich noch mehr. Wenn du nicht gesund wirst, bin ich gezwungen, zu Helm und Handschuhen zu greifen und das Heer selbst nach Norden zu führen. Kannst du dir etwas Aussichtsloseres und Lächerlicheres vorstellen? Einen Vater hat Ahmose-onch bereits verloren, muss er auch noch den nächsten verlieren? Kannst du mich hören,
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