In der Oase
verneigte sich und richtete sich dann stolz auf.
»Sei gegrüßt, Kamose«, sagte sie. »Ich habe alles gehört, was hier gesagt worden ist. Ich habe ein gutes Leben gehabt und Thot in seinem Tempel ehrlich und hingebungsvoll gedient. Ich bin bereit, mit meinem Gemahl zu sterben.« Kamose erschrak. Wie gut, dass dein Mann nicht deine Stärke und deinen Charakter hat, dachte er, als er ihr in das alte, würdevolle Gesicht blickte. Denn wenn er das hätte, wäre ich in Versuchung, ihn am Leben zu lassen.
»Das dürfte nicht notwendig sein, Tante«, sagte er. »Weder ich noch Ägypten haben etwas gegen dich. Du darfst ungehindert zum Fluss gehen.« Er hatte die Umschreibung für Frauen gebraucht, die ihren Mann in der Schlacht verloren hatten und aus ihren Häusern vertrieben worden waren, und sie lächelte.
»Im Gegensatz zu den Frauen, die man dorthin zwingt?«, gab sie zurück. »Nein danke, Kamose. Ich habe keinen Ort, wohin ich gehen könnte.«
»Meine Mutter würde dich in Waset willkommen heißen.« Sie schwankte kurz, doch dann reckte sie das Kinn.
»Ich möchte nicht die Gastfreundschaft von Leuten annehmen, die sich verschworen haben, Ägypten zu ruinieren und meinen Gemahl zu ermorden, auch wenn sie Verwandte sind«, sagte sie. »Ich leugne nicht, dass Teti schwach ist, aber das sind viele Männer. Und ich leugne auch nicht, dass er bei den verabscheuungswürdigen Ereignissen, von denen du gesprochen hast, die Hand im Spiel gehabt hat, obwohl ich erst viel später davon erfahren habe. Aber ich bin seine Frau und ich bin ihm treu. Ohne ihn gibt es für mich kein Leben.«
»Kamose, wenn du sie mir übergibst, ich sorge für sie«, unterbrach Ramose sie. »Ich nehme sie mit. Ich mache dir keinen Ärger, Ehrenwort.«
»Nein!«, sagte Kamose hart. »Nein, Ramose. Ich möchte dich in meiner Nähe haben. Ich brauche dich. Tani braucht dich. Ich möchte dir Tani zurückgeben!« In Ramoses Augen flackerte es auf, eine Not, die er jedoch rasch im Griff hatte.
»Und wie willst du das schaffen?«, fuhr er Kamose an. »Angenommen, du siegst bis Auaris, angenommen, du kannst diese mächtige Stadt belagern und einnehmen, angenommen, du findest Tani noch am Leben, hast du etwa die Macht, ihr die mädchenhafte Unschuld zurückzugeben? Aus ihrem Bewusstsein alles zu tilgen, was geschehen ist, seit Apophis sie mitgenommen hat? Das ist ein Traum, Kamose, und ist Vergangenheit«, schloss er matt. »Was du und ich wollen, zählt nicht mehr.« Kamose starrte ihn an.
»Liebst du sie noch, Ramose?«
»Ja.«
»Dann hast du kein Recht, diese Liebe oder unsere Hoffnung aufzugeben, bis wir wissen, was die Zukunft bringt. Du kommst mit mir.« Er wandte sich an den General. »Hor-Aha, ich gebe meiner Tante Zeit, ihrem Gemahl Lebewohl zu sagen. Danach übergibst du sie einem meiner Herolde und schickst sie nach Süden, nach Waset. Ich diktiere einen Brief an meine Mutter.« Es war nichts mehr zu sagen. Kamose kam sich alt und leer vor, als er sie verließ. Nach dem Dunkel in dem Raum hinter ihm traf ihn der heiße Sonnenschein wie ein Schlag, und er blieb kurz stehen und schloss die Augen, so sehr empfand er seine Wucht. »Hor-Aha«, sagte er bedrückt, »bei dem Wort Ehre wird mir speiübel.«
Eine Stunde später sah er im Schatten eines Sonnensegels zu, wie seine Tante, immer noch starr und unnachgiebig, neben einem Herold über den aufgewühlten und verdreckten Exerzierplatz ging und dann durch das Osttor. Er hatte eine eilige Botschaft an Aahotep und Tetischeri diktiert, hatte ihnen berichtet, was seit seinem letzten Brief durchgesickert war, und sie gebeten, für die Frau zu sorgen. Die Leichen wurden durch die Tore nach Osten und Westen geschleift, damit man sie verbrennen konnte, und da wusste Kamose, dass der Gestank brennenden menschlichen Fleisches jede andere Erinnerung an diese Zeit auslöschen würde, falls er diesen schmutzigen Krieg gewann, falls er wie durch ein Wunder als König nach Waset zurückkehren und den Rest seiner Tage in Frieden beschließen durfte.
Die Fürsten sammelten sich allmählich, ihre Diener waren beflissen beschäftigt, Sonnensegel für sie aufzustellen und Feldstühle aufzuklappen. Iasen von Badari beugte sich zu Mesehti von Djawati, und beide Männer vertieften sich in eine Unterhaltung. Anchmahor stand zusammen mit einem gut aussehenden Jüngling, den Kamose nach einem Augenblick als Harchuf, den Sohn des Fürsten, erkannte. Machu von Achmin redete schnell und gestenreich mit zwei
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