In der Oase
der gut aussehende, stille Junge, der so gern Obst in meinem Garten gepflückt hat«, rang sich Teti ab, obwohl er jetzt zitterte. »Du bist zum Mörder geworden, Kamose Tao. Deine Wahnvorstellungen werden dich nicht viel weiter tragen. Zu guter Letzt wird dich Apophis zermalmen.«
»Vielleicht«, entgegnete Kamose, und flüchtig überfiel ihn Mitleid mit dem Mann, der mit so viel Prachtentfaltung und Selbstbewusstsein über den Wohlstand Chemmenus geboten hatte. »Du irrst, glaube ich, aber selbst wenn sich das Kriegsglück gegen mich wendet und ich und alle, die mich unterstützen, vernichtet werden, so habe ich wenigstens das Richtige, das Ehrenhafte getan.«
»Das Ehrenhafte?«, verwahrte sich Teti. »Ehre heißt Treue zu Höhergestellten und insbesondere zum König! Ich bin mein Leben lang ein ehrenhafter Mann gewesen!«
»Das glaubst du wirklich, nicht wahr?«, sagte Kamose. »Aber war es ehrenhaft, meinen Bruder Si-Amun so zu verderben, dass er keine andere Wahl hatte, als sich das Leben zu nehmen? War es ehrenhaft, zum Angriff auf meinen Vater durch ein Mitglied seines eigenen Haushalts anzustiften? Einzuwilligen, alles, was meine Familie besitzt, als Lohn für diese so genannte Treue an dich zu nehmen? So etwas geht weit über schlichte Treue hinaus, Teti. Das ist Habgier und kalte Gefühllosigkeit. Deine Taten haben dein Todesurteil unterschrieben, nicht Apophis.«
»Aber du willst dich doch nur rächen!«, wehrte sich Teti hitzig. Sein Gesicht war hochrot angelaufen, und Kamose sah, wie ihm der Schweiß ausbrach. »Du hättest das Gleiche getan, wenn du in meiner Haut gesteckt hättest.«
»Wohl kaum. Ach, mein Onkel, ich weiß, was dich in diese Schlinge gelockt hat. Ich weiß, dass dein Großvater einen Aufstand gegen Sekerher, Apophis’ Großvater, angeführt hat und dass ihm für diese Dreistigkeit die Zunge herausgeschnitten wurde. Ich weiß, dass dein Vater Pepi lange und ausdauernd in Apophis’ Heer gedient und damit deine Familie von der Schande befreit hat. Das alles ist sauber. Es ist Maat, Tat und Folgen, die Stimme des Gewissens, die einen Mann bewegen, das zu tun, was er für richtig hält. Wenn das deinen Taten zugrunde läge, ich hätte Beifall gespendet, auch wenn ich es nicht hätte gutheißen können.« Er verstummte und schluckte, war sich bewusst, dass seine Stimme lauter und sein Zorn stärker wurde. »Aber du hast diese Treue zu etwas Dreckigem verbogen«, fuhr er ruhiger fort, »hast den Schmerz und den Tod deines eigenen Verwandten im Austausch für persönlichen Gewinn in Kauf genommen. Du hättest zu uns kommen und das Netz erläutern können, in dem du dich verfangen hattest, hättest Seqenenre um Hilfe oder Rat bitten können. Das hast du nicht getan, und deshalb werde ich dich hinrichten.« Jetzt gaben Tetis Knie doch nach und er sank auf den Schemel.
»Du verstehst den Druck nicht, Kamose«, sagte er erstickt. »Für dich ist alles schwarz oder weiß, richtig oder falsch. Die Grautöne siehst du nicht. Denn wenn, würdest du bei deiner irren Nilfahrt nicht unschuldige Einwohner abschlachten. Hast du geglaubt, ich hätte bei meinen Entschlüssen geschlafen wie ein satter Säugling? Hätte keine Reue gefühlt?« Kamose verschränkte die Arme gegen den beinahe körperlichen Hieb, den ihm Tetis Worte versetzten. Was weißt du schon von Reue?, schrie es in ihm. Von den widerlichen Notwendigkeiten, die mich auf meinem Lager heimsuchen und mein Essen vergiften? Von dem Mitleid und Entsetzen, das mein Ka zu erschüttern droht?
»Genau das denke ich, Teti«, sagte er mit rauer Stimme.
»Dann kann ich nur noch um Gnade flehen«, sagte Teti. »Ich bin ein gebrochener Mann, Kamose. Ein Habenichts und für dich keine Bedrohung mehr. Ich bitte dich, lass mich frei. Meinem Sohn und deiner Mutter, der Base meiner Frau, zuliebe«, und damit legte er Ramose eine Hand auf den Rücken, »verursache meinen Lieben keinen schmerzlichen Verlust.« Ramose erstarrte.
»Vater, um Thots willen, bettele nicht!«, drängte er. »Erniedrige dich nicht weiter!«
»Warum nicht?«, platzte Teti heraus. »Was gilt es dir, wenn ich um mein Leben flehe? Er ist kein gütiger Mensch.« Ramose warf Kamose einen Blick zu.
»Bitte, Fürst, falls es möglich ist«, sagte er leise. Kamose schüttelte einmal verneinend den Kopf.
»Nein, unmöglich. Es tut mir Leid, Ramose. Hor-Aha, geh in das andere Zimmer und hol meine Tante.« Hor-Aha wollte Kamose schon gehorchen, als die Frau in der Tür auftauchte. Sie
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