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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Hauptleuten, die ehrerbietig zuhörten, doch Fürst Intef von Qebt saß allein und hatte den finsteren schwarzen Blick auf die sonnengleißende Szene vor sich gerichtet. Keiner näherte sich Kamose. Es war, als wüssten sie, dass der Raum rings um ihn vorübergehend heilig war, und dafür war er dankbar, denn sein Herz war taub. Es muss getan werden, redete er sich gut zu und bemühte sich, die Reste seines Mutes zusammenzuraffen. Und ich muss es tun.
    Ahmose kam über den sich langsam leerenden Exerzierplatz, neben ihm Hor-Aha. Beide Männer hatten sich, das konnte man sehen, gesäubert, und Ahmose hatte sich ein gestärktes gelbes Leinenkopftuch umgebunden, unter dessen Rand sein frisch mit Kohl umrandeter Blick die Geschäftigkeit ringsum betrachtete. Er näherte sich Kamose, nickte ernst, sagte aber nichts und machte es sich auf einem Schemel bequem, den der ihm aufwartende Diener hinstellte. Hor-Aha setzte sich mit gekreuzten Beinen auf die Erde und erstarrte. Eine ernste Stimmung legte sich über die drei Männer.
    Dann seufzte Kamose und reckte sich. »Hor-Aha, man soll mit dem Arbeiten aufhören«, sagte er. »Lass Teti herausbringen. Ipi!« Er winkte seinem Schreiber, der mit den anderen Dienern unweit gewartet hatte. »Halte dich bereit, Anklage und Hinrichtungsbefehl niederzuschreiben. Ahmose, ich möchte die Fürsten hinter mir haben.« Ipi trat näher, während Ahmose mit einem grimmigen Nicken zu den Fürsten hinüberging. Sie folgten ihm einer nach dem anderen und scharten sich hinter Kamose, der aus dem Schatten des Sonnensegels getreten war.
    Erwartungsvolle Stille senkte sich über alle. Dann traten die Wachen vor dem Quartier des Befehlshabers zurück, und Teti erschien am Arm seines Sohnes. Er hatte sich nicht bemüht, sich zu waschen oder die Kleidung zu wechseln, und ging noch immer barfuß. Blass und blinzelnd stand er unschlüssig da, bis er auf einen jähen Befehl des Generals vorwärts schlurfte. Kamose winkte Ramose zu sich. »Du musst nicht zusehen«, sagte er freundlich. »Geh vor die Mauer, wenn du möchtest.« Bei seinen Worten klammerte sich Teti mit beiden Händen an Ramoses Arm und flüsterte ihm etwas Dringliches ins Ohr. Ramose schüttelte den Kopf.
    »Ich bleibe bei meinem Vater«, rief er, »aber, Kamose, ich bitte dich noch einmal, willst du nicht Gnade walten lassen?« Als Antwort wandte sich Kamose an Ipi, der jetzt zu seinen Füßen saß und den Pinsel über den Papyrus hielt.
    »Schreibe«, sagte er. »Teti, Sohn des Pepi, einstmals Nomarch von Chemmenu und Verwalter der Nomarche Mahtech, Aufseher der Deiche und Kanäle, du wirst der Beihilfe zum versuchten Mord an Fürst Seqenenre von Waset und des Verrats beschuldigt, mit dem du den Niedergang des Hauses Tao bewirkt hast, ein Haus, mit dem dich Bluts-und Familienbande verbinden. Du wirst des Hochverrats gegen den rechtmäßigen König Ägyptens unter der Maat, Kamose I. beschuldigt, weil du ihn dem Thronräuber Apophis zuliebe bespitzelt hast. Für das Verbrechen des versuchten Mordes wirst du zum Tode verurteilt.« Seine Stimme hallte von den sonnenbeglänzten Mauern der Festung wider. Er spürte die zunehmende Anspannung der reglosen Fürsten hinter sich und die heiße Sonne, die auf seinen Schädel herunterbrannte. In die Leere, die seine Worte hinterließen, strömte die Stille, und er musste gegen ihren Druck kämpfen, denn er war sich bewusst, dass Dutzende von Soldaten, deren Arbeit ruhte, die Augen erwartungsvoll auf ihn gerichtet hatten.
    Ich darf keine Schwäche zeigen, dachte er. Ich darf nicht schlucken oder mich räuspern oder zu Boden blicken. In diesem Augenblick bestätige ich meine Autorität. »Teti, hast du gebetet?«, fragte er. Äußerlich gelassen sah er zu, wie sich Teti um eine Antwort bemühte. Der Mann weinte still, Tränen liefen ihm über die Hängebacken und fielen glitzernd auf die heftig atmende Brust. Ramose antwortete an seiner Stelle.
    »Mein Vater hat gebetet«, sagte er. »Er ist bereit.« Kamose streckte eine Hand aus, und Hor-Aha reichte ihm seinen Bogen und legte ihm einen Pfeil auf die Hand. Kamoses Finger schlossen sich um die Waffe. Seine eigene Haut war feucht, doch ihm war klar, dass er sich den Schweiß nicht abwischen durfte. Sorgsam passte er die Kerbe des Pfeils in die Bogensehne, und seine andere Hand legte sich unter die Spitze. Er stellte sich breitbeinig hin, wandte die Schulter zum Ziel und spannte den Bogen. »Ramose, tritt beiseite«, rief er. Als er am Pfeilschaft

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