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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Familienandenken geholt, und Ahmose beschrieb das Ganze als Chaos aus Kisten und Möbeln und entnervten Dienstboten, während Meketra und seine Sippe bereits Tetis Anwesen übernahmen. »Meketras Gemahlin schien genau zu wissen, wohin sie alles gestellt haben wollte«, berichtete Ahmose, als sie nach dem Abendessen Res letztes, sanftes Leuchten genossen.
    Kamose gab darauf keine Antwort. Wirst du mir jemals verzeihen?, fragte er im Geist Ramose, während seine Gedanken rasten. Können wir jemals wieder Freunde sein, oder werden die Zwänge dieser schlimmen Zeit uns immer weiter voneinander trennen? Zu seiner Erleichterung widmete sich Ahmose seinem Mahl, und in einem Nebel stummer Erschöpfung sah Kamose seinem Bruder beim Essen zu.
    Später erwachte er mitten in der Nacht aus dem Schlaf der Erschöpfung, weil er jemanden leise weinen hörte. Das Schiff schaukelte sacht in der nördlichen Strömung. Mattes Licht fiel stoßweise über sein Feldbett, denn die Lampen in Bug und Heck machten die Bewegung mit, und das einzige andere Geräusch war das stetige, liebliche Plätschern des Wassers unter dem Kiel. Sie schwammen, das war Kamose klar, ließen sich langsam nur mit der Strömung bis Tagesanbruch treiben, wie der Kapitän gesagt hatte. Er legte sich auf den Rücken und lauschte auf den gedämpften Kummer. Es konnte einer der Bootsleute sein oder ein Diener, der Heimweh hatte, doch Kamose wusste, so verhielt es sich nicht.
    Der Betrübte war Ramose, der seinen Verlust und seine Einsamkeit unter dem Deckmantel der Dunkelheit hinausschluchzte. Ich sollte aufstehen und zu ihm gehen, dachte Kamose. Ich sollte ihm sagen, dass ich mit ihm fühle, dass es für mich auch keinen sicheren Hafen, keine ausgebreiteten Arme mehr gibt. Aber nein. Ich an seiner Stelle würde nicht wollen, dass man meine Qual bemerkt. Er schloss die Augen, aber innerlich war er ganz taub.
    Viertes Kapitel
    Tetischeri streckte die Hand aus, und Uni, ihr Haushofmeister, reichte ihr die Schriftrolle. Nach einem taktvollen Schritt rückwärts wartete er, während sie den Papyrus mit gekräuselter Stirn in der Hand wog. »Hmmm«, sagte sie. »Sehr leicht. Sehr dünn. Gute Nachrichten oder schlechte, was meinst du, Uni? Soll ich das Siegel erbrechen oder mich erst mit ein wenig Wein stärken?« Uni brummelte etwas Unverbindliches, und Tetischeri ließ den Papyrus auf ihren dunkelrot gekleideten Schoß sinken. Das ist ein Spiel geworden, dachte sie, während ihre Augen blicklos den Garten ringsum musterten. Seit ab Mitte des Monats Pachons Rollen kommen, große, kleine, von Ipi säuberlich geschrieben oder in irgendeiner unbequemen Stellung hingekritzelt, habe ich jedes Mal gezögert, den Mut verloren und einen Augenblick oder eine Stunde damit verbracht, den Inhalt zu erraten, ehe ich das Siegel meines Großsohns erbrochen habe.
    »Diese Woche war es eine dicke, Uni. Gift oder Arznei?«
    »Schwer zu sagen, Majestät.«
    »Aber dick bedeutet viel Zeit zum Diktieren. Nichts Übereiltes wie die, die aus Neferusi mit Aahoteps Base gekommen ist.«
    »Du hast gewiss Recht, Majestät…«
    Bislang hatte es keine Niederlagen gegeben. Mesore hatte begonnen, der Monat der Ernte und der lähmenden Hitze, wenn die Zeit in Ägypten stillzustehen schien und Mensch wie Tier gegen den dringenden Wunsch ankämpfte, sich hinzulegen, zu schlafen, während der Fluss immer weniger Wasser führte. Auf den kleinen Feldern hoben und senkten sich die Sicheln, und vor den Speichern war die Luft vom Dreschen des Weizens staubig zum Ersticken. Weinreben, die sich unter der Last dicker, roter Trauben bogen, wurden befreit, und dunkelrot und viel versprechend floss der Saft in die Fässer.
    Vier Monate, seufzte Tetischeri. Vier Monate, in denen ich ständig angespannt gewesen bin, in denen mir das Herz jäh gestockt ist, mit Anfällen von Feigheit, ehe das Wachs unter meinen Fingern brach und mir Ipis hieratische Zeichen entgegensprangen. Ein Wunder, dass mich die ständige Sorge noch nicht umgebracht hat. »Lies mir vor, Uni«, befahl sie. »Meine Augen sind heute müde.« Gehorsam nahm ihr der Mann die Rolle ab und räusperte sich.
    »Gute Nachrichten, Majestät«, sagte er. »Nur zwei Zeilen. ›Opfere Amun, ich komme nach Hause.‹«
    »Gib mir das.« Sie schnappte sich die Rolle und hielt sie offen auf den Knien, während ihr Zeigefinger die Worte nachzog. »›Ich komme nach Hause.‹ Was meint er damit?«, blaffte sie gereizt. »Flieht er nach einer verlorenen Schlacht oder

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