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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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schrecklich gelitten, seit Apophis’ beleidigender Brief an Osiris Seqenenre eintraf?«
    Nachdem sie unter dem beschwichtigenden Einfluss des Weins Erinnerungen ausgetauscht hatten, die aus Angst vor der Zukunft so lange geschlummert hatten, kehrten die Frauen ins Haus zurück. Aahotep und Aahmes-nofretari suchten ihr Lager auf, doch Tetischeri saß am Tisch in ihrem Schlafgemach und ließ sich von ihrem Haushofmeister den Kasten holen, in dem sie Kamoses Briefe aufbewahrte. Jetzt kann ich sie noch einmal lesen, dachte sie, entließ Uni auf sein eigenes Lager und hob den Deckel des goldbeschlagenen Kastens. Sie können mir nichts mehr mit Zweifeln anhaben oder mir Sorge wegen der nächsten Bewegung des Heeres bereiten oder mich in ohnmächtige Verzweiflung stürzen, weil ich nicht einschätzen kann, ob Kamose klug handelt.
    Den Göttern sei Dank für Hor-Aha! Ich hier bin jeden Morgen mit der langsam weichenden, heimlichen, unausgesprochenen Gewissheit aufgewacht, dass Apophis’ Horden um die Biegung des Flusses kommen und Kamoses Leichnam am Mast hängen haben. Jede Rolle konnte Verderben bedeuten, hat sie aber nicht, und allmählich hat unsere Furcht nachgelassen. Dann kam der Sieg von Neferusi, und von dem Augenblick an war das Öffnen der Briefe eine feierliche Angelegenheit.
    Fürst Meketra habe ich nie leiden können, wanderten ihre Gedanken weiter, als sie Kamoses Botschaft, die auf die Einnahme der Festung folgte, in den Kasten zurücklegte. Ich kann mich von ganz früher noch gut an ihn erinnern. Er hat damals schon etwas Ungesundes gehabt, so als würde er sich nicht oft genug waschen. Aber bis jetzt hat er sich als treu erwiesen.
    Sie wählte eine Rolle, die ›Zweiter Tag im Payni‹ datiert war, und entrollte sie vorsichtig. »Grüße an Ihre Majestäten, die Königinnen Tetischeri und Aahotep, hochverehrte Großmutter und Mutter«, so fing sie an. »Heute Abend haben wir unser Schiff in Het nefer Apu vertäut. Für die Reise von Neferusi hierher haben wir sieben geschlagene Tage gebraucht, weil wir auf dem Weg ins Delta auf immer mehr Dörfer stoßen. Desgleichen hat uns unsere Unkenntnis von allem, was nördlich von Chemmenu gelegen ist, langsamer gemacht. Wir müssen unterwegs die Berichte unserer Späher abwarten und uns auf sie verlassen. Wir haben mit einer Garnison gekämpft und sie eingenommen, haben alle Soldaten über die Klinge springen lassen, aber die kleine Festung hier in Het nefer Apu hat sich ergeben, kaum dass der Befehlshaber uns hat kommen sehen. Anscheinend haben sich Bauern aus Chemmenu und Neferusi nach Norden durchgeschlagen und um Schutz gebeten, und die haben von unserer Stärke und aufgebauschte Geschichten von unserer Grausamkeit erzählt.«
    Hier blickte Tetischeri kurz hoch, und ihr Blick blieb geistesabwesend auf der Wand gegenüber hängen. Aufgebauscht?, wiederholte sie stumm. Was willst du damit sagen, Kamose? Jeder Brief von dir enthält Berichte über furchtbare Gemetzel und zugleich die Entschuldigung, dass sie nötig waren. Wir waren uns darin einig, dass du deinen Rücken nur so schützen kannst, ohne das Heer auszubluten. Warum dann diese raffinierte Lüge? Ist das Töten zum Alltag geworden und du hast erst beim Diktieren dieses langen Briefes flüchtig Gewissensbisse verspürt?
    »Die halbe Streitmacht der Garnison wurde hingerichtet und der Rest musste die Mauern schleifen. Ich wollte dem Befehlshaber nicht das Leben nehmen, aber er hat mir keine andere Wahl gelassen, denn er war nicht nur blutsmäßig Setiu, sondern auch offen feindselig mir gegenüber. Ich glaube, selbst nachdem wir das Land von Waset bis Het nefer Apu unterworfen haben, halten die Setius das Ganze noch immer für eine kleine Erhebung. So habe ich es aus dem Mund des Befehlshabers gehört, ehe er gestorben ist, und natürlich hat auch Teti Ähnliches gefaselt. Wenn wir doch Zeit hätten, von hier nach Westen, nach Uah-ta-Meh zu ziehen. Ich würde gern die Oase erforschen. Bete für uns. Wir sind so müde.«
    Tetischeri hob die Hände, und der Papyrus rollte sich raschelnd zusammen. Kamoses letzte Worte hatten ihr ans Herz gegriffen, als Uni diese vorlas, während sie und Aahotep beim Mahl im Speisesaal saßen. Sie griffen ihr noch immer ans Herz. »Wir sind so müde«, wiederholte sie die Worte der Rolle jetzt im Geist. Nicht eure Körper sind müde, ihr Lieben, sondern eure Seelen. Ja. Und wir beten wirklich für euch, jeden Tag. Sie schob die Rolle beiseite und entrollte die nächste und

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