In der Oase
Milch und Bullenblut ab. Priesterinnen schüttelten das Sistrum. Doch Tetischeri bemerkte den jähen Lärm nicht. Ihre Augen suchten nach den Männern, die sich auf dem Deck scharten. Da stand Ahmose, braun und stämmig, mit seinem weiß und gelb gestreiften Kopftuch, hatte die beringten Händen, in die Hüften gestemmt, und die Sonne funkelte auf dem Gold auf seiner breiten Brust. Er schenkte Aahmes-nofretari ein strahlendes Lächeln. Aber wo war Kamose?
Soldaten kamen die Laufplanke herunter und bildeten eine Gasse, ihnen folgte Fürst Anchmahor. Tetischeri erkannte ihn auf der Stelle, doch ihr Blick verweilte nicht auf ihm. Amunmose stimmte die Willkommens-und Segensgesänge an und spritzte in rosigem Strahl Milch und Blut auf das heiße Pflaster, und dann kam ein Mann die Laufplanke herunter. Er war mager, die Muskeln seiner von Gold umschlungenen Arme und der langen Beine zeichneten sich ab, sein Gesicht unter dem blauweißen Kopftuch wirkte wie aus Höhlungen geformt. Um seinen Hals hing das Pektoral, das Tetischeri kannte. Bestürzt und tief erschrocken hob Tetischeri den Blick noch einmal zum Gesicht des Mannes. Er hatte das Ende der Laufplanke erreicht und blickte sie an, und es war Kamose. »Ihr Götter!«, hauchte Tetischeri entsetzt, dann kniete sie nieder und machte ihren Fußfall wie Aahotep neben ihr. »Erhebt euch«, forderte sie eine Stimme auf, müde und dünn, so dünn wie der Leib, aus dem sie kam, und die Frauen standen auf. Kamose breitete die Arme aus. »Bin ich wirklich daheim?«, fragte er, und die Frauen stürzten sich in seine Umarmung.
Tetischeri hielt ihn lange umfasst, roch seinen vertrauten Duft, fühlte seine warme Haut an ihrer Wange und war sich nur vage bewusst, dass Aahmes-nofretari freudig jauchzte und Ahmose wie ein gelber Blitz an ihr vorbeigeschossen war. Amunmose hatte aufgehört zu singen, das Ende seines Gebets ging im Stimmenwirrwarr der Begrüßung und Unterhaltung unter. Kamose gab seine Verwandten frei, drehte sich zu dem Hohen Priester um und ergriff seine Hand. »Mein Freund«, sagte er mit rauer Stimme. »Ich habe mich sehr auf deine Treue und darauf verlassen, dass deine Gebete zu Amun Wirkung haben. Heute Abend wollen wir ein Fest feiern, und im Morgengrauen komme ich zum Tempel und opfere dem Großen Gackerer.« Amunmose verbeugte sich.
»Majestät, Waset jubelt und Amun lächelt«, antwortete er. »Ich überlasse dich jetzt deiner Familie.«
»Mutter, Großmutter, ihr erinnert euch gewiss an Fürst Anchmahor. Er ist der Befehlshaber der Getreuen und Tapferen des Königs. Die anderen Fürsten habe ich bei ihren jeweiligen Divisionen zurückgelassen.« Anchmahor vollzog seine Verneigung und bat, gehen zu dürfen, erteilte aber noch Befehle an seine Soldaten. Ahmose und seine Gemahlin hielten sich noch umschlungen, hatten die Augen geschlossen und wiegten sich, so sehr freuten sie sich. Tetischeri bemühte sich immer noch nach besten Kräften, ihr Entsetzen über Kamoses Anblick zu verbergen, doch allmählich fasste sie sich. Sie warf einen Blick zurück auf das Schiff, das jetzt den ganzen Fluss versperrte, und fragte scharf: »Kamose, wo ist das Heer? Wo ist Hor-Aha? Ist das alles, was du heimgebracht hast?« Er schenkte ihr ein verkrampftes Lächeln.
»Ich habe alle Medjai mitgebracht«, entgegnete er brüsk. »Wo ich mit dem Rest meines Heeres geblieben bin, erzähle ich dir später, Tetischeri. Im Augenblick möchte ich nur noch auf dem Badesockel unter plätscherndem, duftendem Wasser stehen und dann auf mein Lager sinken.« Das Lächeln zitterte und verrutschte. »Ich liebe dich, liebe euch beide, euch alle«, schloss er. »Ich würde auch jeden hier versammelten Diener abküssen, wenn meine Würde mir das erlaubte!« Die Worte waren humorvoll, aber seine Stimme war umgekippt. Er wartete kurz mit zusammengepressten Lippen, und sein Blick schweifte zur Vorderfront des Hauses, zu den schlaffen Bäumen, dem schwachen Funkeln der Sonne auf dem Teich, den man gerade noch hinter dem Weinspalier ausmachen konnte, dann strebte er den Säulen am Eingang zu. Sofort ordneten sich die Getreuen des Königs vor und hinter ihm. Anchmahor schritt an seiner Seite. Doch sie waren noch nicht weit gekommen, als sich eine graue Gestalt aus dem Schatten des Spaliers löste, auf sie zugeschossen kam und sich auf Kamose stürzte. Er breitete die Arme aus und bückte sich. Jaulend vor Freude tatzte Behek nach ihm, leckte ihm das Gesicht ab und drückte die Schnauze an seinen
Weitere Kostenlose Bücher