In der Oase
gestattete sich die kleine Freude, die sie verspürt hatte, als die Nachricht von Tetis Tod das Anwesen erreichte. Das hatte sie vor ihrer Schwiegertochter geheim gehalten, denn obwohl Aahotep gewusst hatte, dass die Hinrichtung ihres Verwandten nicht zu vermeiden war, grämte sie sich offensichtlich deswegen. »Jetzt trägst du keine Gedichte mehr vor«, sagte sie laut. »Oder erteilst hinterlistige und verräterische Befehle. Auch wenn du jetzt einbalsamiert in deinem Grabmal liegst, wetten, dass sich die Waage im Gerichtssaal gesenkt hat, als dein Herz in die Schale gelegt wurde. Hoffentlich hat dich Sobek mit Genuss verspeist!«
Dieser Brief trug das Datum ›Dreißigster Tag im Payni‹. »Wir haben uns nach Iunu durchgekämpft«, lautete er nach den üblichen Grußformeln, »und morgen erreichen wir das Delta und Nag-ta-Hert, eine gewaltige Festung, die den Spähern zufolge auf einem Hügel erbaut ist. Dort sind nicht weniger als zehntausend Mann einquartiert. Es ist Apophis’ Bollwerk gegen südliche Eindringlinge in sein Kernland. Bis jetzt weiß ich noch nicht, wie wir sie bezwingen sollen. Ich habe die meisten Einwohner von Mennofer verschont, habe nur die Berufssoldaten getötet, denn die Stadt und ihre Nomarche werden von Fürst Sobek-nacht regiert. Ich erinnerte mich an ihn, sowie er mit seinem Gefolge durch die Weiße Mauer kam. Er hat Apophis zur Zeit unserer Aburteilung begleitet und war der einzige Fürst, der den Mut aufbrachte, öffentlich mit uns zu sprechen. Er ist mit Ahmose auf die Jagd gegangen. Vielleicht erinnerst du dich an ihn. Er ist Sechmet-Priester, Erpa-ha, Erbfürst und einer von Apophis’ Baumeistern. Sein Vater war vor seinem Tod Wesir des Nordens. Mit ihm haben wir die uralten Grabmäler auf der Ebene von Sakkara besucht, den Hafen besichtigt, in dem alle Arten von Handelsschiffen liegen, und haben Ptah in seinem Tempel gehuldigt. Nach einer langen Unterhaltung, die die ganze Nacht dauerte, schwor der Fürst, wenn wir Mennofer nicht schleifen, würde er nichts unternehmen und Apophis nichts über unsere Stärken und Schwächen berichten, und er will uns alles an Nahrung oder Waffen liefern, was wir benötigen. Ahmose traut ihm vollkommen, aber Ahmose bewundert jeden, der eine Ente beim ersten Versuch mit dem Wurfstock erlegen kann.«
Ja, ich erinnere mich an ihn, dachte Tetischeri. Ich habe seine Mutter gekannt, eine Frau, die ihre Söhne selbst erzogen hat, und das streng. Sein Blut ist rein. Aber, Kamose, die Spitze gegen deinen Bruder gefällt mir jetzt noch weniger als damals, als du sie diktiert hast. Dir ist hoffentlich klar, dass Zwietracht zwischen euch die Katastrophe bedeutet.
Die nächste Rolle war so leicht wie eine Hand voll Federn, die legte sie in den Kasten zurück. Diese Botschaft brauche ich mir nicht anzusehen, dachte sie. Ich kenne sie auswendig. ›Dreißigster Tag im Epiphi. Nag-ta-Hert. Wir haben einen ganzen Monat gebraucht, diesen verfluchten Ort zu belagern und niederzubrennen. Schräge Mauern, dicke Tore, alles hügelan. Zehntausend Leichen, die verbrannt werden mussten. Dreihundert der Unseren. In Intefs Division eine schwelende Meuterei. Warum hat Apophis noch nicht reagiert?«
Diesen besonderen Punkt nehmen wir uns auch vor, sagte sich Tetischeri. Es ist wider alle Vernunft, dass Apophis noch keine Kunde von ihrem Vordringen hat. Wo sind seine Truppen? Schließlich hat er Pezedchu Hunderte von Meilen nach Süden bis Qes geschickt, um Seqenenre zu schlagen.
Umso besser, sagte sie sich, als sie den zweitletzten Brief aufschnürte. Kamose und Hor-Aha können mit Meuterei fertig werden. Sie haben eine Bresche in die südlichen Verteidigungsanlagen geschlagen. Nichts liegt mehr zwischen ihnen und Auaris. Als sie diese Botschaft aufrollte, wurde ihr warm ums Herz, und sie las sie laut wie vor einem ehrfürchtig lauschenden Publikum. »Dreizehnter Tag im Mesore. Diese Worte diktiere ich angesichts von Apophis’ prächtiger Stadt, während ich auf meinem Schiff inmitten einer betörend schönen Landschaft sitze. Überall üppiges Grün, durchschnitten von breiten Kanälen, deren Wasser so blau ist wie der Himmel, den man wegen der vielen, vielen Bäume kaum sehen kann. Ständiges Vogelgezwitscher, alles duftet nach den reifen Früchten in den Obsthainen. Jetzt verstehe ich, warum die Leute aus dem Norden unsere Nomarche Ägyptens südliches Kohlebecken nennen, denn verglichen mit dieser augenfälligen Fruchtbarkeit, ist Waset tatsächlich sehr
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