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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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trocken.
    Die Stadt Auaris ist auf zwei flachen Hügeln erbaut. Jeder ist durch mächtige, hohe, außen angeschrägte Mauern geschützt. Beide sind von Kanälen umgeben, die um diese Jahreszeit ausgetrocknet sind; wenn sie jedoch Wasser führen, müssen sie die Hügel nahezu uneinnehmbar machen. Ich habe Herolde zu den Toren des Haupthügels von Auaris geschickt – es gibt hier fünf Tore –, die meinen Namen und meine Titel ausgerufen und Apophis zum Aufgeben aufgefordert haben. Die Tore sind fest geschlossen geblieben, und in die Stadt, die auf vier Meilen von Mauern umgeben ist, kann man nicht eindringen.
    Unsere Truppenzahl ist auf beinahe dreißigtausend Fußsoldaten angewachsen, aber uns bleibt keine Zeit, mit der Belagerung zu beginnen. Binnen zwei Wochen setzt die Überschwemmung ein, falls Isis zu weinen beliebt, und ich möchte hier nicht mit dem Heer überwintern. Darum habe ich das Niederbrennen des Deltas befohlen. Städte, Dörfer, Weingärten und Obsthaine, alles muss angezündet werden, sodass die Einwohner von Auaris keine Lebensmittel bekommen, wenn ich sie beim nächsten Feldzug belagere. Den Rest wird das Hochwasser besorgen. Wir wissen noch immer nicht, wie viele Soldaten auf den beiden Hügeln von Auaris stationiert sind, aber Hor-Aha schätzt ihre Zahl auf mindestens einhunderttausend, vielleicht auch mehr. Apophis hat sie noch nicht auf uns losgelassen. Er ist dumm!«
    Ist er das wirklich?, dachte Tetischeri.
    In den nun folgenden zwei Wochen trafen keine weiteren Rollen von den Brüdern ein, und Tetischeri musste feststellen, dass ihre allzu blühende Einbildung erneut mit ihr durchging: Apophis hatte die Tore geöffnet, und die einhunderttausend Krieger waren ins Delta geströmt. Kamose war auf dem Heimweg von verzweifelten Bauern in einen Hinterhalt gelockt und ermordet worden. Ahmose war in der feuchten Luft des Deltas erkrankt und hauchte sein Leben aus, während die Flotte irgendwo im nördlichen Hinterland feststeckte.
    Waset bereitete sich darauf vor, das Neujahrsfest mit großen Feiern für Amun und Thot zu begehen, der dem ersten Monat des Jahres seinen Namen gegeben hatte. Aahmes-nofretari verbrachte die sorgenvollen Tage ganz allein, behielt ihre Ängste für sich, doch Tetischeri und Aahotep gingen in Amuns Tempel, standen stumm da, während sich Amunmoses Stimme flehend erhob und der Weihrauch die sich windenden Leiber der heiligen Tänzerinnen umwölkte.
    Und dort fand sie der Herold dann, kam über die Steinplatten des Vorhofs und verbeugte sich. Tetischeri spürte, wie sich Aahoteps Hand in ihre stahl. »Rede«, sagte sie. Er lächelte.
    »Seine Majestät wird noch vor Mittag eintreffen«, sagte er. »Sein Schiff folgt mir auf den Fersen.« Aahoteps Finger wurden zurückgezogen.
    »Sehr gut«, sagte sie gelassen. »Sei bedankt. Geht es ihnen gut?«
    »Es geht ihnen gut, Majestät.« Sie nickte ernst, doch ihre Augen strahlten.
    »Wir werden an der Bootstreppe warten. Herold, richte dem Hohen Priester aus, dass wir unverzüglich Milch und Bullenblut brauchen.«
    Zwei Stunden später drängten sich stumme Zuschauer auf dem gepflasterten Platz vor der Bootstreppe. Über ihnen bauschten sich die Sonnensegel, weißes Leinen, das sich im heißen Wind langsam blähte und wieder zusammensank, und darunter wartete gespannt und erwartungsvoll der gesamte Haushalt. Für die drei königlichen Frauen hatte man Stühle mitgebracht, doch sie standen lieber, blinzelten in die erbarmungslos auf dem Wasser gleißende Sonne und strengten sich an, flussabwärts zu blicken. Hinter ihnen scharten sich die Diener und Musikanten und daneben stand Amunmose. Der Weihrauch in den Gefäßen war entzündet, sein Rauch stieg beinahe unsichtbar in die heiße Luft. Niemand sprach. Sogar Ahmose-onch verhielt sich in den Armen seiner Kinderfrau ganz still.
    Das Schweigen wurde gebrochen, als der Bug des ersten Schiffes um die Biegung kam. Es nahte wie ein Traumbild, Riemen tauchten ein, durchpflügten das Wasser, hoben sich und ließen glitzernde Tropfen fallen, und der Bann war erst gebrochen, als man die warnenden Rufe des Kapitäns hören konnte. Auf seinen Befehl hin wurden die Riemen eingezogen wie die Beine eines Rieseninsekts, und das Schiff legte sanft an dem Muringspfahl an. Unversehens herrschte Geschäftigkeit, Diener eilten herbei und vertäuten es, die Laufplanke wurde ausgelegt, die Musikanten spielten auf, ein jäher Trommelwirbel und Lautengezupfe, und Amunmose nahm dem Jungen den Krug mit

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