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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sehr unwahrscheinlich.«
    »Aber vorkommen könnte es.«
    Sie wollte es nicht aussprechen, doch ihre Augen verrieten ihre Bestürzung. »Wir werden uns jeden wissenschaftlichen Leiter einzeln vorknöpfen«, sagte sie. »Jeden Forscher, der ein Experiment rauf geschickt hat. Wenn es bei denen einen Verstoß gegen die Sicherheitsvorkehrungen gegeben hat, werde ich es verdammt noch mal rausfinden.«
    Das wird sie wahrscheinlich,
dachte Jack. Wie die anderen Männer im Raum hatte er ein kleines bisschen Angst vor Liz Gianni.
    »Es gibt eine Frage, die wir uns noch nicht gestellt haben«, meldete sich Gordon Obie zum ersten Mal zu Wort. Wie immer hatte er die Sphinx gespielt, hatte sich alles schweigend angehört und die Informationen im Stillen verarbeitet. »Die Frage lautet:
Warum?
Warum sollte irgendjemand die Station sabotieren? Hegt irgendwer einen Groll gegen uns? Vielleicht ein fanatischer Technikfeind?«
    »Das biologische Äquivalent des Unabombers«, meinte Todd Cutler.
    »Warum hat er den Organismus dann nicht einfach im JSC freigesetzt und damit unsere Infrastruktur lahm gelegt? Das wäre leichter und sehr viel logischer gewesen.«
    »Sie kommen einem Fanatiker nicht mit Logik bei«, gab Todd zu bedenken.
    »Man kann an alles und jeden mit Logik herangehen, auch an einen Fanatiker«, erwiderte Gordon. »Man muss nur wissen, in welchem Rahmen er sich bewegt. Und das ist es, was mich stört. Deshalb habe ich meine Zweifel, ob wir es tatsächlich mit Sabotage zu tun haben.«
    »Was sollte es denn sonst sein, wenn nicht Sabotage?«, fragte Jack.
    »Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Es könnte etwas ebenso Erschreckendes sein«, sagte Gordon, indem er Jack besorgt anblickte. »Ein Irrtum.«
    Dr. Isaac Roman lief den Flur entlang, während der Funkempfänger an seinem Gürtel unentwegt piepste. Er ahnte schon, welch schrecklicher Anblick ihn erwartete. Er stellte den Piepser ab und öffnete die Tür zum Quarantänetrakt. Statt das Zimmer des Patienten zu betreten, blieb er in sicherer Entfernung vor dem Beobachtungsfenster stehen und sah zu, wie das Entsetzen seinen Lauf nahm.
    Die Wände waren mit Blutspritzern übersät, und Blutlachen bildeten sich auf dem Boden, wo Dr. Nathan Heisinger sich in Krämpfen wand. Zwei Schwestern und ein Arzt, alle in Raumanzügen, versuchten ihn daran zu hindern, sich selbst zu verletzen, doch seine Zuckungen waren so heftig, dass sie ihn nicht unter Kontrolle bekamen. Sein Bein schlug aus, und eine der Schwestern stürzte und rutschte ein Stück über den blutverschmierten Beton.
    Roman drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage. »Ihr Anzug! Ist er beschädigt?«
    Sie erhob sich langsam, und er konnte ihren entsetzten Gesichtsausdruck sehen. Sie betrachtete ihre Handschuhe und Ärmel und inspizierte die Anschlussstelle des Luftschlauchs.
    »Nein«, sagte sie, und es klang fast wie ein Schluchzer der Erleichterung. »Keine Beschädigungen.«
    Blut spritzte gegen das Fenster. Roman zuckte zurück, als die roten Tropfen an der Scheibe hinunterrannen. Heisinger schlug jetzt mit dem Kopf auf den Boden, während sich sein Rückgrat abwechselnd entspannte und überdehnte. Opisthotonus. Roman hatte diese bizarre Körperhaltung erst einmal gesehen, bei einem Opfer von Strychninvergiftung. Der Körper bog sich nach hinten wie ein überspannter Bogen. Heisinger verkrampfte sich erneut und krachte mit dem Hinterkopf auf. Blutspritzer benetzten die Visiere der beiden Schwestern.
    »Treten Sie zurück!«, befahl Roman.
    »Aber er verletzt sich doch!«, sagte der Arzt.
    »Ich will nicht, dass sich noch jemand infiziert.«
    »Wenn wir diese Krämpfe unter Kontrolle bekämen …«
    »Sie können nichts tun, um ihn zu retten. Ich will, dass Sie alle
sofort
zurücktreten. Bevor Sie verletzt werden.«
    Widerstrebend gehorchten die beiden Schwestern seiner Anordnung. Nach einer Weile schloss sich der Arzt ihnen an. Sie standen schweigend da und verfolgten das schreckliche Geschehen zu ihren Füßen.
    Wieder wurde Heisinger von Konvulsionen geschüttelt, und sein Kopf zuckte zurück. Die Kopfhaut platzte auf wie eine gerissene Stoffnaht. Die Blutlache wurde zum See.
    »O Gott, seht euch seine Augen an!«, rief eine der Schwestern.
    Heisingers Augen waren wie zwei riesige Murmeln; sie schienen aus ihren Höhlen springen zu wollen.
Traumatische Proptosis,
dachte Roman. Der enorm gestiegene Schädelinnendruck presste die Augäpfel nach außen, sodass die Lider weit auseinander gezerrt wurden und

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