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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Orbiter dann dort oben zu suchen? Er ist doch eindeutig auf Rendezvous-Kurs mit der Station!«
    »Nein, das ist er nicht. Das
kann
er gar nicht sein. Er hat doch gar kein Andocksystem; es ist völlig ausgeschlossen, dass er sich an die Station ankoppelt. Es gibt nicht die geringste Gefahr einer Kontamination.«
    »Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Mr. Obie. Was hat die
Apogee II
da oben zu suchen?«
    Gordon zögerte. »Sie führt nur eine Annäherungssequenz durch, das ist alles. Die Fähigkeit der
Apogee
zu einem Rendezvous soll getestet werden.«
    »Sir«, warf der Controller des Raumfahrtkommandos ein. »Ich sehe hier eine schwerwiegende Anomalie.«
    Profitt fuhr herum und starrte auf die Konsole. »Was für eine Anomalie?«
    »Sie betrifft den Kabinendruck. Er ist auf fünfhundertfünfzig Hektopascal gefallen. Er sollte bei eintausendfünfzehn liegen. Entweder verliert der Orbiter rapide Luft, oder sie haben den Druck absichtlich gesenkt.«
    »Wie lange ist er schon so niedrig?«
    Rasch drückte der Controller einige Tasten, und auf dem Bildschirm erschien ein Schaubild, das die zeitliche Veränderung des Kabinendrucks darstellte. »Ihren Computern zufolge wurde über die ersten zwölf Stunden nach dem Start ein Kabinendruck von eintausendfünfzehn aufrechterhalten. Vor zirka sechsunddreißig Stunden fiel er auf siebenhundert und blieb dann stabil bis vor einer Stunde.« Plötzlich warf der Controller den Kopf hoch. »Sir, ich weiß, was sie da machen! Es scheint sich um ein Prebreathe-Protokoll zu handeln.«
    »Wozu dient dieses Protokoll?«
    »Einer EVA. Einem Weltraumspaziergang.« Er sah Profitt an.
    »Ich glaube, da ist jemand an Bord des Orbiters.«
    Profitt wandte sich zu Gordon Obie um. »Wer ist an Bord? Wen haben Sie da hochgeschickt?«
    Gordon sah, dass es keinen Sinn mehr hatte, die Wahrheit zu verschweigen. Mit stiller Resignation erwiderte er: »Jack McCallum.«
    Emma Watsons Mann.
    »Dann ist es also doch eine Rettungsaktion«, sagte Profitt. »Wie sollte das denn funktionieren? Er geht raus, und dann?«
    »Dann kommen die Steuerdüsen zum Einsatz. Der Orlan-MAnzug, den er trägt, ist entsprechend ausgestattet. Mit Hilfe der Düsen bewegt er sich von der
Apogee II
zur Station und steigt durch die Druckschleuse ein.«
    »Und dann holt er seine Frau raus und bringt sie zur Erde?«
    »Nein. Das ist nicht geplant. Hören Sie, er sieht ein – wir
alle
sehen ein –, dass sie nicht zurückkehren kann. Jack hat den Flug auf sich genommen, um das Ranavirus zur Station zu bringen.«
    »Und wenn das Virus nicht anschlägt?«
    »Das ist das Risiko dabei.«
    »Er begibt sich in die verseuchte Atmosphäre der Station. Wir würden niemals zulassen, dass er zurückkehrt.«
    »Das hat er auch nicht vor! Der Orbiter soll ohne ihn zurückkehren.« Gordon hielt inne und sah Profitt unverwandt an. »Es ist ein Flug ohne Rückfahrkarte, und Jack weiß das. Er hat die Bedingungen akzeptiert. Seine Frau liegt da oben im Sterben! Er kann und wird sie nicht allein sterben lassen.«
    Profitt schwieg betroffen. Er blickte auf die Konsole und auf den Monitor, über den die Daten flossen. Während die Sekunden verstrichen, musste er an seine eigene Frau denken, an Amy, die im Bethesda Hospital im Sterben gelegen hatte. Er dachte daran zurück, wie er voller Panik durch den Flughafen von Denver gerannt war, um den nächsten Flug zurück zu ihr noch zu erreichen, und an seine Verzweiflung, als er außer Atem am Flugsteig angelangt war, nur um das Flugzeug zum Start davonrollen zu sehen. Er dachte daran, welche Verzweiflung Jack McCallum umtreiben musste, an die Höllenqualen, die es für ihn bedeutete, seinem Ziel zum Greifen nah zu kommen und es dann unerbittlich entschwinden zu sehen. Und er dachte:
Auf der Erde wird niemand durch diese Aktion Schaden erleiden. Niemand außer McCallum. Er hat seine Entscheidung getroffen, in vollem Bewusstsein der Konsequenzen. Welches Recht habe ich, ihn daran zu hindern?
    An den Controller des Raumfahrtkommandos gewandt sagte er: »Überlassen Sie die Konsolen wieder Apogee. Lassen Sie die Leute mit ihrer Mission fortfahren.«
    »
Sir?
«
    »Ich sagte, lassen Sie den Orbiter seinen Flug fortsetzen.«
    Einen Augenblick herrschte fassungsloses Schweigen. Dann stürmten die Apogee-Controller wieder an ihre Plätze.
    »Mr. Obie«, sagte Profitt, indem er sich zu Gordon umdrehte, »Sie werden verstehen, dass wir McCallum auf Schritt und Tritt überwachen. Ich bin nicht Ihr Feind. Aber ich

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