Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
Station war eine verseuchte Grabkammer, so verboten und unberührbar wie einst die Leprasiedlungen.
    Sie glitt aus dem RSM heraus und schwebte auf den Teil der Station zu, dessen Stromversorgung lahm gelegt war. Es war so dunkel, dass sie kaum den Weg durch den Verbindungsknoten fand. Bis auf das rhythmische Seufzen ihres eigenen Atems war hier alles totenstill. Sie atmete die Luftmoleküle ein, die ihren Weg durch die Lungen der Menschen genommen hatten, die jetzt tot waren. Immer noch spürte sie die Gegenwart der fünf, die ihr Leben verloren hatten, glaubte das Echo ihrer Stimmen zu hören, bis die letzten schwachen Lautfetzen sich schließlich verflüchtigten und der Stille wichen. Dies war die Luft, in der sie sich bewegt hatten, und sie war immer noch erfüllt von ihrem Sterben.
    Und bald,
dachte sie,
wird sie auch von meinem Tod erfüllt sein.

24. August
    Jared Profitt wurde kurz nach Mitternacht geweckt. Schon nach dem zweiten Läuten des Telefons hatte er den Tiefschlaf abgeschüttelt und war hellwach. Er griff nach dem Hörer.
    Die Stimme am anderen Ende klang schroff. »Hier spricht General Gregorian. Ich habe soeben mit unserem Kontrollzentrum in Cheyenne Mountain gesprochen. Dieser so genannte Demonstrationsflug von Nevada aus befindet sich immer noch auf Rendezvouskurs mit der ISS.«
    »Welcher Flug?«
    »Der von Apogee Engineering.«
    Profitt runzelte die Stirn und versuchte den Namen einzuordnen. Jede Woche fanden überall auf der Welt zahlreiche Raketenstarts statt. Hunderte von kommerziellen Raumfahrtunternehmen testeten ständig Boostersysteme, schickten Satelliten in den Orbit oder feuerten gar die eingeäscherten Überreste Verstorbener ins All. Das Raumfahrtkommando hatte bereits neuntausend künstliche Objekte unter Beobachtung, die um die Erde kreisten. »Helfen Sie mir auf die Sprünge, was hat es mit diesem Start in Nevada auf sich?«
    »Apogee testet einen neuen wiederverwendbaren Raumgleiter. Sie haben ihn gestern Morgen um null-siebenhundertzehn abgefeuert. Sie haben die Luftfahrtbehörde vorschriftsmäßig informiert, aber wir haben erst nachträglich davon erfahren. Dieser Flug ist als Erprobung ihres neuen RLV in der Umlaufbahn deklariert. Eintritt in eine niedrige Erdumlaufbahn, Vorbeiflug an der ISS, dann Wiedereintritt. Wir verfolgen sie jetzt seit anderthalb Tagen, und ihre letzten orbitalen Zündungen lassen darauf schließen, dass sie der Station möglicherweise näher kommen, als sie uns gesagt haben.«
    »Wie nahe?«
    »Das hängt von ihren nächsten Zündungsmanövern ab.«
    »Nahe genug für ein tatsächliches Rendezvous? Ein Andockmanöver?«
    »Das ist mit diesem speziellen Raumfahrzeug nicht möglich. Die technischen Daten ihres Orbiters liegen uns vor. Es ist nur ein Prototyp ohne orbitales Andocksystem. Sie können allenfalls vorbeifliegen und mal kurz winken.«
    »Winken?« Profitt setzte sich plötzlich im Bett auf. »Wollen Sie damit sagen, dass dieses RLV bemannt ist?«
    »Nein, Sir. Das war nur bildlich gesprochen. Apogee sagt, das Fahrzeug sei unbemannt. Es sind Tiere an Bord, darunter ein Klammeraffe, aber kein Pilot. Wir haben auch keine Sprechverbindung zwischen Bodenstation und Raumschiff aufgefangen.«
    Ein Klammeraffe, dachte Profitt. Seine Anwesenheit an Bord des Raumgleiters bedeutete, dass sie die Möglichkeit eines Piloten an Bord nicht ausschließen konnten. Die Umgebungssensoren des Orbiters konnten bei ihrer Kohlendioxidmessung nicht zwischen Tier und Mensch unterscheiden. Diese Informationslücke beunruhigte ihn. Noch mehr beunruhigte ihn der Zeitpunkt des Starts.
    »Ich kann nicht sagen, ob es einen Grund zur Besorgnis gibt«, sagte Gregorian. »Aber Sie hatten ja darum gebeten, über jedes Objekt, das in die Nähe der Station kommt, informiert zu werden.«
    »Erzählen Sie mir mehr über Apogee«, unterbrach Profitt ihn. Gregorian schnaubte verächtlich. »Kleine Fische. Eine Flugmaschinenfabrik mit zwölf Mitarbeitern drüben in Nevada. Waren ziemlich vom Pech verfolgt. Vor anderthalb Jahren ist ihnen der erste Prototyp zwanzig Sekunden nach dem Start explodiert, woraufhin sich alle ihre potenziellen Investoren in Luft aufgelöst haben. Es überrascht mich ein wenig, dass sie immer noch mitmischen. Der Booster basiert auf russischer Technologie. Der Orbiter ist eine schlichte Konstruktion ohne alle Extras; die Landung erfolgt mit Bremsfallschirmen. Die Nutzlastkapazität beträgt dreihundert Kilo plus Pilot.«
    »Ich fliege sofort nach Nevada.

Weitere Kostenlose Bücher