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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Interviews der NASA für das Mercury-Programms gegeben hatten. Wenn sie die Hände an die Hüften stemmen,
    dann achten Sie darauf, daß ihre Daumen nach hinten deuten. Hatte Deke ihm das erzählt, oder hatte er in Tom Wolfes Buch darüber gelesen?
    Ackroyd hatte von seinem Maklerbüro gesprochen, bevor Baedecker ihn unterbrochen hatte. Jetzt räusperte er sich und machte eine vage Geste mit der rechten Hand.
    »Ich könnte mir denken, Sie haben eine Menge bedeutender Persönlichkeiten kennengelernt, Mr. Baedecker, hm?«
    »Richard«, sagte Baedecker leise. »Sie sind Bill, richtig?«
    »Ja. Aber nicht verwandt mit dem Burschen in den Wiederholungen der alten Folgen von Saturday Nigct Live. Eine Menge Leute fragen mich danach.«
    »Nein«, sagte Baedecker. Er hatte die Sendung nie gesehen.
    »Was meinen Sie, wer war der Bedeutendste?«
    »Was denn?« fragte Baedecker, aber es war unmöglich, das Gespräch in eine andere Richtung zu leiten. »Die bedeutendste Persönlichkeit, die Sie je kennengelernt haben?«
    Baedecker zwang etwas Leben in seine Stimme. Plötzlich fühlte er sich sehr müde. Er überlegte sich, daß er mit seinem eigenen Auto von St. Louis hierher hätte fahren sollen. Der Zwischenhalt in Glen Oak wäre kein nennenswerter Umweg gewesen, und er hätte jederzeit wieder aufbrechen können. Baedecker konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal irgendwohin gefahren war, es sei denn von seinem Haus in der Stadt ins Büro und wieder zurück. Das Reisen war zu einer endlosen Folge von Flügen geworden. Von leichter Betroffenheit erfüllt, stellte er fest, daß Joan, seine Ex-Frau, nie in St. Louis, Chicago oder dem Mittelwesten gewesen war. Ihr ganzes gemeinsames Leben in Fort Lauderdale, San Diego, Houston, Cocoa Beach, die fünf schlimmen Monate in Boston, hatte sich an der Küste abgespielt, an Stellen, wo der Kontinent eindeutig zu Ende ging. Plötzlich war er neugierig, was Joan von dieser weiten Ausdehnung von Feldern, Farmhäusern und Hitzeflimmern halten würde. »Der Schah von Persien«, sagte er. »Er war jedenfalls am eindrucksvollsten. Das Hofzeremoniell, das sie dort abgezogen haben, das Protokoll und das schiere Gefühl von Macht, das er und seine Gefolgschaft verströmt haben, die haben sogar das Weiße Haus und den Buckingham-Palast in den Schatten gestellt. Hat ihm auch nicht viel genützt.«
    »Ja«, sagte Ackroyd. »Ich habe einmal Joe Namath kennengelernt. Ich besuchte die Amway Convention in Cincinnati. Seit ich in das Pine Meadows-Geschäft eingestiegen bin, habe ich dazu keine Zeit mehr, aber damit ging es mir wirklich nicht schlecht. Dreizehnhundert pro Monat, und das ohne nennenswerte Anstrengung. Joe, der war wegen etwas anderem dort, kannte aber jemanden, der gut mit Merle Weaver befreundet war. Und so kam es, daß Joe er hat uns alle gebeten, ihn so zu nennen die ganzen zwei Tage mit uns verbracht hat. Ging in die Gefechtszone mit uns, und so weiter. Ich meine, er hatte Verpflichtungen, aber wenn er Zeit fand, gingen er und Merles Freunde mit uns essen und spendierten eine Runde Drinks und so weiter. Einen netteren Burschen können Sie sich nicht vorstellen.«
    Baedecker mußte überrascht feststellen, daß er seine Umgebung erkannte. Er wußte, hinter der nächsten Kurve der Straße würde eine Milchzentrale mit einer Blumenuhr in der Mitte der Einfahrt auftauchen. Die Milchzentrale kam tatsächlich. Die Uhr fehlte, aber der Parkplatz sah neu asphaltiert aus. Das Haus mit dem purpurnen Schindeldach auf der linken Straßenseite hatte seine Mutter immer als die alte Postkutschenhaltestelle bezeichnet. Er sah den windschiefen Balkon des ersten Stocks und war überzeugt, daß es sich um dasselbe Gebäude handelte. Die plötzliche Überblendung vergessener Erinnerungen mit der Wirklichkeit war beunruhigend für Baedecker, ein Gefühl des deja vu das er nicht mehr abschütteln konnte. Er sah starr geradeaus und wußte, nur eine langgezogene Kurve und noch eine Meile Straße lagen vor ihnen, bevor Glen Oak sich als Baumreihe und einsamer grüner Wasserturm offenbaren würde, der über die Maisfelder aufragte.
    »Haben Sie Joe Namath je kennengelernt?« fragte Ackroyd.
    »Nein, nie«, sagte Baedecker. An einem klaren Tag würde Illinois aus einer Höhe von elftausend Metern aus einer 747 ein grünes Flickwerk aus Rechtecken sein. Baedecker wußte, daß der rechte Winkel den Mittelwesten so sehr beherrschte wie die sinusförmigen, zufälligen Kurven der Erosion den Südwesten, wo

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