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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Zimmer. Ich bin sicher, dafür interessiert sich Mr. Baedecker brennend.« Sie lächelte Baedecker an, und dieser mußte an frühe Fotos von Eleanor Roosevelt denken.
    Der Junge wandte sich um und ging voraus zur Treppe, die er zwei Stufen auf einmal hinunter sprang. Das Gästezimmer befand sich im Keller. Das Bett sah bequem aus, ein Badezimmer grenzte direkt an den Raum an. Das Zimmer des Jungen lag am gegenüberliegenden Ende eines mit Teppichboden ausgelegten Zimmers, das möglicherweise als Hobbyraum geplant gewesen war.
    »Ich schätze, Mom wollte, daß Sie das sehen«, murmelte Terry und schaltete das trübe Licht in seinem Zimmer ein. Baedecker sah hinein, blinzelte, trat ein und sah sich genauer um.
    Ein einzelnes Bett, ordentlich gemacht, ein kleiner Schreibtisch, eine Stereo-Kompaktanlage und drei dunkle Wände mit Regalen, Postern, einigen Büchern, Modellen, dem üblichen Krimskrams eines heranwachsenden Jungen. Aber die vierte Wand war anders.
    Es handelte sich um eine Fotografie von Apollo 8 eines der Bilder vom Erdaufgang, die bei den ersten und dritten Mondumkreisungen von den Außenkameras gemacht worden waren. Dieses Bild hatte einst die Phantasie der Welt angestachelt, hatte aber in den Jahren seither so übertriebene Verwendung gefunden, daß Baedekker es nicht einmal mehr zur Kenntnis nahm. Hier war es anders. Das Foto war vergrößert worden, so daß eine Hochglanzfototapete entstand, die sich über die ganze Breite des Zimmers von Boden bis zur Decke erstreckte. Die Erde war leuchtend blau und weiß, der Himmel schwarz, der Vordergrund stumpf grau. Es war, als würde sich der Kellerraum des Jungen zur Mondoberfläche hin öffnen. Die dunklen Wände und das trübe Licht taten ein weiteres, die Illusion zu vervollkommnen.
    »Moms Idee«, murmelte der Junge. Er trommelte nervös auf einen Stapel Tonbandkassetten auf seinem Schreibtisch. »Ich glaube, sie hat es bei einem Flohmarkt gekauft.«
    »Hast du die Modelle gemacht?« fragte Baedecker. Auf den Regalen standen graue Plastiknachbildungen aus Krieg der Sterne RaumsJci Enterprise und Kamp stern GalaJtiJa. Zwei große Space Shuttles hingen an dunklen Fäden in einer Ecke.
    Der Junge machte eine Geste mit Schultern und Händen, ein unterdrücktes halbes Schulterzucken, das Baedecker an seinen eigenen Sohn Scott erinnerte.
    »Dad hat mir geholfen.«
    »Interessierst du dich für das Weltall, Terry?«
    »Ja.« Der Junge zögerte und sah zu Baedecker auf. In seinen dunklen Augen leuchtete kurz die Panik allen zusammengenommenen Mutes auf. »Ich meine, früher mal. Sie wissen schon, als ich noch klein war. Ich meine, ich finde es immer noch interessant und so, aber irgendwie ist es Kinderkram, wissen Sie? In Wirklichkeit wäre ich gerne so etwa wie, nun, Leadgitarrist einer Gruppe wie Twisted Sister.« Er verstummte und sah Baedecker gelassen an.
    Baedecker konnte ein breites Grinsen nicht unterdrükken. Er drückte die Schulter des Jungen kurz und fest.
    »Gut. Gut. Laß uns nach oben gehen, ja?«
     
    Die Straßen waren dunkel, abgesehen von vereinzelten Lampen und dem blauen Flackern von Fernsehern hinter Fensterscheiben. Baedecker atmete den Duft von frisch gemähtem Gras und unsichtbaren Feldern ein. Die Sterne kamen nur zögernd heraus. Abgesehen von vereinzelten Autos, die auf der Asphaltstraße vorbeifuhren, bildete das gedämpfte, aber aufgeregte Plappern der verborgenen Fernseher die einzige Geräuschkulisse. Baedecker konnte sich erinnern, wie hinter einigen dieser Fliegengitter und Fenster noch Transistorradios geklungen hatten. Er fand, die Rundfunkstimmen hatten mehr Autorität und Tiefe gehabt.
    Glen Oak hatte nie viele Eichen besessen, aber in den vierziger Jahren wuchsen eine Vielzahl von gigantischen Ulmen, unvorstellbar massive Bäume, deren grobschlächtige Gliedmaßen sich zu einem Baldachin von Zweigen krümmten, welcher selbst die breiteste Nebenstraße in einen Tunnel aus Licht und Schatten verwandelte. Diese Ulmen waren Glen Oak. Das war selbst dem zehnjährigen Jungen klar gewesen, der an einem Sommerabend mit dem Fahrrad Richtung Stadt fuhr, zur Oase der Bäume und des Samstagabendessens, und dabei hektisch in die Pedale trat.
    Jetzt waren die meisten Ulmen verschwunden. Baedekker vermutete, daß verschiedene Krankheiten sie hinweggerafft hatten. Die breiten Straßen waren zum Himmel hin offen. Kleinere Bäume dagegen gab es immer noch im Überfluß. In der schwachen Brise tanzten die Blätter vor den Straßenlaternen und

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