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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Lächeln.
    »Jackie hat das Essen warm gehalten, aber wir könnten zu den Old Settlers gehen und Backfisch essen, wenn Sie möchten.«
    »Ich bin ziemlich müde«, sagte Baedecker.
    »Nun gut«, sagte Ackroyd. »Dann kümmern wir uns morgen um alle Formalitäten. Marge wird heute abend sowieso ziemlich beschäftigt sein, mit der Tombola und allem. Terry, mein Sohn Terry, brennt darauf, Sie kennenzulernen. Er ist ein echter Held für Sie ... ich meine, Scheiße, Sie wissen, was ich meine. Terry begeistert sich richtig für den Weltraum und alles. Terry hat letztes Jahr einen Schulaufsatz über Sie geschrieben und ist darauf gestoßen, daß Sie eine Zeitlang hier gelebt haben. Um ehrlich zu sein, da bin ich erst darauf gekommen, Sie zum Ehrengast bei den Old Settlers zu machen. Terry interessierte sich so sehr dafür, daß dies Ihre Heimatstadt ist, und so weiter. Marge und die anderen wären selbstverständlich sowieso begeistert gewesen, wissen Sie, aber Sie würden Terry eine Riesenfreude machen, wenn Sie die beiden Nächte bei uns verbringen würden.«
    Obwohl sie fast Schrittempo fuhren, hatten sie die Hauptstraße von Glen Oak bereits passiert. Ackroyd bog nach rechts ab und bremste in der Nähe der alten katholischen Kirche. Dies war ein Teil des Ortes, in den sich Baedecker als Junge selten begeben hatte, weil Chuck Compton, der Raufbold der Schule, hier wohnte. Es war der einzige Stadtteil, den er bei den Beerdigungen seiner Eltern besucht hatte. »Es würde uns wirklich nichts ausmachen«, sagte Ackroyd. »Es wäre uns eine Ehre, Sie bei uns zu haben, und freitagsabends ist das Motel Six wahrscheinlich sowieso mit LKW-Fahrern ausgebucht.«
    Baedecker betrachtete die braune Kirche. Er hatte sie viel größer in Erinnerung. Er spürte, wie eine große Trägheit über ihn kam. Die Sommerhitze, die langen Wochen des Reisens, die Enttäuschung nach der Begegnung mit seinem Sohn im Ashram in Poona, das alles trug dazu bei, ihn in diesen traurigen Zustand der Passivität zu versetzen. Baedecker kannte dieses Gefühl von seinen ersten Monaten im Marine-Korps im Sommer des Jahres 1951. Von dort, und von den ersten Wochen, nachdem Joan ihn verlassen hatte.
    »Ich möchte niemandem zur Last fallen«, sagte er. Ackroyd grinste erleichtert und umklammerte Baedekkers Oberarm zum zweiten Mal. »Sie sind doch keine Last. Jackie freut sich darauf, Sie kennenzulernen, und Terry wird nie vergessen, daß wir einmal einen richtigen Astronauten zu Gast hatten.«
    Das Auto fuhr langsam durch abwechselnde Streifen von sahnigem Abendlicht und dunklen Baumschatten.
    Die Fledermäuse waren unterwegs, als Baedecker eine Stunde später einen Spaziergang machte. Ihre ruckartigen, halb wahrnehmbaren Bewegungen schnitten Stücke aus der stumpfen Kuppel des Abendhimmels. Die Sonne war untergegangen, aber der Tag klammerte sich an die Hitze, wie Baedecker sich als Junge an die letzten süßen Wochen der Sommerferien geklammert hatte. Baedecker brauchte nur wenige Minuten, bis er zum alten Ortsteil geschlendert war, seinem Ortsteil. Er freute sich, daß er im Freien und allein war.
    Ackroyd wohnte in einem Viertel mit rund zwanzig Ranchhäusern am nordöstlichen Stadtrand, wo Baedekker nur Felder und einen Bach in Erinnerung hatte, in dem man Bisamratten fangen konnte. Ackroyds Haus war in einem pseudospanischen Stil gehalten, ein Boot und ein Wohnwagen standen in der Garage, ein RV in der Einfahrt. In den Zimmern im Haus standen wuchtige Ethan-Allen-Möbel. Jackie, Ackroyds Frau, hatte eng eingedrehte Dauerwellen, Lachfältchen in den Augenwinkeln und einen süßen Überbiß, durch den sie aussah, als würde sie ununterbrochen lächeln. Sie war einige Jahre jünger als ihr Mann. Terry, ihr einziges Kind, ein blasser Junge, der dreizehn oder vierzehn zu sein schien, war so schmal und still wie sein Vater vierschrötig und laut.
    »Sag hallo zu Mr. Baedecker, Terry. Los doch, sag ihm, wie sehr du dich darauf gefreut hast.« Der Junge wurde mit einem Schubs von Ackroyds riesiger Pranke nach vorn gestoßen.
    Baedecker bückte sich, konnte dem Jungen aber trotzdem nicht in die Augen sehen, und seine ausgestreckte Hand verspürte nur den leichtesten Druck feuchter Finger. Terrys braune Haare wuchsen vorn am längsten und fielen über die Augen wie ein Visier. Der Junge murmelte etwas. »Freut mich, dich kennenzulernen«, sagte Baedecker.
    »Terry«, sagte seine Mutter, »geh jetzt. Zeig Mr. Baedecker sein Gästezimmer. Und dann zeig ihm dein

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