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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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da unten begraben worden.« Er deutete auf einen schmalen Pfad, der einen steilen Abschnitt des Hügels hinab führte.
    »Warum Stonehenge?« fragte Baedecker.
    Dave zuckte die Achseln. »Wir möchten alle Monumente hinterlassen. Sam hat sich seines ausgeliehen. Er war im Ersten Weltkrieg in England, als die Fachleute noch glaubten, Stonehenge sei ein Opferaltar gewesen. Sam hat daraus eine Art Antikriegsdenkmal gemacht.«
    Baedecker ging näher hin und konnte Namen in den Steinen erkennen. Was er zuerst für Stein gehalten hatte, war in Wahrheit Beton.
    Sie gingen zum südlichen Rand des Kreises und blickten über den Fluß hinweg. Die Lichter einer Stadt und einer Brücke leuchteten mehrere Meilen entfernt im Westen. Der Wind wehte böig und heftiger denn je, neigte die spröden Grashalme auf dem Hügel und brachte den kalten Geruch des Herbstes mit sich.
    »Der Oregon Trail endet ein paar Meilen weiter unten«, sagte Dave und deutete auf die Lichter. Etwas später sagte er: »Hast du dich je gefragt, weshalb sie so weit gekommen sind, durch zweitausend Meilen bestes Akkerland zogen, nur um einem Traum zu folgen?«
    »Nein«, sagte Baedecker. »Ich glaube nicht.«
    »Aber ich«, sagte Dave. »Das frage ich mich schon, seit ich ein Kind war. Herrgott, Richard, ich fahre durch dieses Land und kann mir nicht vorstellen, daß ich es zu Fuß oder in diesen beschissenen Ochsenwagen im Schrittempo durchquere. Je mehr ich sehe, desto mehr denke ich, daß jeder Mann, der Präsident der Vereinigten Staaten werden möchte, sich dem höchsten Grad von Selbstüberschätzung hingibt. Warte einen Moment hier, bin gleich wieder da.«
    Dave ging durch den Kreis aus Steinen zurück, und Baedecker stand am Rand der Klippe, ließ sich vom Wind abkühlen und lauschte den Rufen eines Nachtvogels tief unten. Als Dave zurückkehrte, hatte er einen Frisbee bei sich, der leicht fluoreszierend schimmerte.
    »Mein Gott«, sagte Baedecker, »das ist doch nicht der Frisbee, oder?«
    »Na klar«, sagte Dave. Während ihrer letzten Exkursion, als sie sich für die Fernsehkameras vor dem Rover zu schaffen machten, hatte Dave einen Frisbee aus der Probentasche geholt, den er und Baedecker zwischen sich hinund hergeworfen hatten, während sie lachend sein Trudeln im Vakuum und seine merkwürdigen Flugbahnen in einem Sechstel Schwerkraft beobachteten. In dem Moment ein toller Spaß. Als sie vier Tage später nach Hause kamen, tobte bereits die große Frisbeekontroverse. Die NASA war außer sich, weil Dave den Ausdruck Frisbee gebraucht hatte einen Produktnamen -
    , womit er einer Firma, die nichts mit der NASA zu tun hatte, zu unschätzbarer Werbung verhalf. Nachrichtensprecher und Kommentatoren mißbilligten im Allgemeinen die Frivolität; einer nannte es eine ›seltene menschliche Anwandlung in einem sonst herzlosen Unternehmen‹, stellte aber die Notwendigkeit eines bemannten Programms zur Erforschung des Mondes in Frage und wies daraufhin, daß die sowjetischen Robotersonden eine billigere und einleuchtendere Methode darstellten. Ein Senator aus Connecticut hatte vom ›Sechs-MilliardenDollar-Frisbee-Turnier‹ gesprochen, und die schwarzen Führer waren außer sich und nannten das Ereignis gefühllos und verächtlich den Bedürfnissen von Millionen gegenüber. »Zwei weiße Collegejungs spielen auf Kosten der Steuerzahler Spiele im Weltraum«, sagte ein Führer der Schwarzen in der Today Show, »während in den Gettos schwarze Babys an Rattenbissen sterben.«
    Capcom hatte vier Stunden vor dem Wiedereintritt, am Ende der Schlafperiode, einen Teil davon während ihrer täglichen Nachrichtenübermittlung durchgegeben. Dann hatte der Kommunikationsoffizier gefragt, ob jemand von ihnen eine Meinung zu der ganzen Angelegenheit hatte oder einen Vorschlag, wie man die Kritik der Reporter abwenden könnte.
    »Ist dieser Kanal sicher?« hatte Dave gefragt. Houston bestätigte es ihm.
    »Nun, scheiß auf sie alle«, hatte Dave lakonisch gesagt und fand damit zumindest für das Astronautenkorps Eingang ins Rekordbuch des Programms als erster, der diesen speziellen Pilotenausdruck live über Mikrofon gebrauchte. Es hatte Dave mit Sicherheit um einen künftigen Flug im Rahmen des Skylab-Programms gebracht. Dennoch hatte er weitere fünf Jahre auf einen Flug gewartet und war Zeuge geworden, wie Skylab zu Ende ging, ebenso die einmalige, vergebliche Geste des ApolloSojus-Unternehmens, bevor er schließlich seinen Abschied nahm.
    Nun warf Dave Baedecker den

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